Wir befinden uns am westlichen Teil des iberischen Scheidegebirges, welcher das höchste Gebirge des portugiesischen Festlandes darstellt. Das Gebirge erstreckt sich in Südwest-Nordost-Ausrichtung mit einer Länge von ca. 100 km und einer Breite von 25-50 km über eine Fläche von ca. 1000 km² im Osten Zentralportugals in der Region Região Centro. Das Gebirge stellt ein zweigeteiltes Hochplateau dar, das überwiegend aus alten Graniten besteht.
Zurückgelegte Strecke mit dem Bus und zu Fuß
Bei bedecktem Himmel machten wir uns von unserer dörflichen Unterkunft; den eine Ansammlung gemütlicher und authentischer Hirtenhütten, in denen viele Probleme hatten aufrecht zu stehen, auf in die Natur, bessergesagt den Naturpark „Serra da Estrela“. Um mehr über die Einzigartigkeit und die Besonderheiten des Parks zu erfahren, machten wir zuerst einen Abstecher in das C.I.S.E – das Centro de Interprecao da Serra da Estrela, welches sich vor allem mit Biodiversitätsforschung auseinandersetzt. Hier bekamen wir eine ausführliche Führung über die einzigartige Flora und Fauna des Naturparks, es gibt viele endemische Arten wie beispielsweise über 1000 verschiedene Schmetterlingsarten und exotische Spinnenarten. Außerdem erfuhren wir anhand topographischer Modelle die erdgeschichtliche Entstehung und die glaziale Überprägung des Gebirges mit den typischen glazialen Formen.
Die Führung im C.I.S.E.
Um die Einzigartigkeit der Natur- und Kulturlandschaft der Serra da Estrela zu erhalten und den Tourismus zu fördern wurde bereits 1976 der Naturpark „Parque Natural da Serra da Estrela“ als erster von insgesamt 13 Naturparks Portugals gegründet. Ein Naturpark ist ein geschützter Landschaftsraum, der durch menschliche Kultivierung Aktivitäten entstanden ist. Eine besondere Strategie des Naturparks ist der sogenannte Prozessschutz. Hierbei wird das Prinzip des „Nicht-Eingreifens“ verfolgt, bei dem das Ökosystem seinen natürlichen Vorgängen selbst überlassen wird. Dabei werden Störeinflüsse wie beispielsweise Waldbrände oder Stürme sowie umweltfreundliche traditionelle Nutzungsformen der Kulturlandschaften wie beispielsweise der Schafweidewirtschaft begrüßt und toleriert um eine relativ „natürliche“ Entwicklungsdynamik zuzulassen.
Nach der Führung im C.I.S.E und einem kleinen, mittelmäßig gut animierten Infofilm, welchen nicht mal der Guide anschauen wollte, ging es los auf eine Wanderung zum Torre, der mit 1993 Metern der höchste Gipfel der Serra da Estrela ist. Glücklicherweise hat uns Pedro, unser Busfahrer ein Stück mitgenommen, sodass der Weg vom Quellgebiet des Zezere mit dem beeindruckenden Blick hinein in das vom Gletscher annähernd perfekt ausgeprägte Zezere Trogtal, empor durch die Latschenkiefer hinauf auf den Gipfel über Stock und Stein sich nur auf etwa zwei Stunden belief. Auch das Wetter war optimal – ein paar Regentropfen waren eine willkommene Abkühlung während des anstrengenden Aufstiegs. Die Klimazonen unterscheiden sich je nach Höhenlage und Exposition, die Niederschlagsmenge ist mit 2500 mm/Jahr hoch, weshalb das Gebirge mit seinen vielen angelegten Stauseen auch als „Wasserturm“ Nordportugals gesehen wird. Eine weitere Besonderheit in der Serra da Estrela …. ab einer Höhe von 1400 m tritt an 40 bis 50 Tagen im Jahr Schneefall auf.
Das vom Gletscher geformte Zezere Trogtal
Vorbei an zahlreichen Felsformationen – entstanden durch die Wollsackverwitterung, sahen wir viele glaziale Formen wie beispielsweise Karseen, Trogtäler, Gletscherschliffe, Rundhöckerflure, Toteisseen, Moränenwälle, Kare und Blockmeere und durchquerten dabei das einzige Skigebiet Portugals. Gerade dieser Tourismusansatz des weitläufigen Skigebietes sorgt für Konflikte zwischen den Parteien. Wobei abschließend noch nicht geklärt ist, wie es im Zuge des Klimawandels mit dem Skigebiet weiter geht.
Die potenzielle natürliche Vegetation ist vereinfacht in der basalen (0 – 800 m) und der montanen Stufe (800 – 1600 m) durch Eichenwälder unterschiedlicher Arten mit immergrünen Elementen geprägt. Auf der alpinen Stufe (1600 – 1993 m) dominieren natürlicherweise Gräser, Sträucher, Moose und Flechten. Aufgrund der Nutzung durch den Menschen (Rodung, Land- und Forstwirtschaft) wurde jedoch auf allen Höhenstufen die natürliche Klimaxwaldvegetation durch Heidelandschaften (Sträucher, Gräser) ersetzt. Trotzdem gilt die Serra da Estrela als Biodiversitäts-Hotspot, auf einem Prozent der Landesfläche Portugals sind hier 1/3 der in Portugal vorkommenden Flora vertreten, die wiederum eine Vielzahl an endemischen Arten enthält. Waldbrände haben einen natürlichen Einfluss auf das dortige Ökosystem, weshalb die Vegetation daran angepasst ist. Aufgrund von Brandstiftung und der Verbreitung von Plantagen und Monokulturen steigt die Zahl der Waldbrände kontinuierlich an.
Wollsackverwitterte Granitfelsen
Oben angekommen, erwartet uns ein nicht ganz so schöner Gipfel, wie es manche von uns aus den Bayrischen Alpen kennen. Eher erinnert uns der höchste Punkt Portugals an den Ochsenkopf, ein abgeflachtes Plateau mit einem alten Radarturm als Spitze. Die Aussicht hat sich auf jeden Fall gelohnt und ein Highlight des „Gipfels“ ist ein Laden, in dem zahlreiche Käse- und Wurstsorten verkauft wurden, die man sogar kostenlos probieren darf. Das Angebot des Shops spiegelt das Ergebnis einer über jahrhundertelang entstandenen Kulturlandschaft wider. Die Region war und ist geprägt durch die Landwirtschaft, v.a. durch Viehzucht und Käsereien (Schafe, Ziegen und Rinder). Mit diesem Faktor einhergehend, lassen sich die in der Industrialisierung aufgelösten Wollfabriken erklären. Außerdem gibt es in der Serra da Estrela eine speziell gezüchtete Hirtenhundrasse: den Cão da Serra da Estrela, welcher uns ebenso begegnet ist, wie auf dem untenstehenden Foto zu sehen.
Hirtenhunde bei der Arbeit
Der Gipfel des Torre
Was uns besonders ins Auge gefallen ist, war die Einsamkeit der Bevölkerung auf dem Hochplateau hier gibt es, wenn überhaupt, nur verlassene Häuser. Der Demographische Wandel macht auch vor Portugal nicht halt. Die Serra da Estrela weist mit 34,3 Einwohnern/km² eine der niedrigsten Bevölkerungsdichten Portugals auf und kann daher als periphere Region bezeichnet werden. Wieder angekommen am Fuß des Berges, so mögen die anliegenden Gemeinden den Eindruck von größeren Städten vermitteln. Denn im Gegensatz zum verlassenen Gebirge ist dieser Bereich Geprägt von der Bevölkerung, welche durch die moderne Infrastruktur, dem Naturpark, und dem einhergehenden Tourismus profitiert.
Müde und erschöpft kamen wir am Abend wieder in unserem „Hirtendorf“ an und ließen uns den erworbenen Käse zusammen mit einer Flasche portugiesischem Rotwein schmecken.
Erschöpfte Wanderer