Entoto Hill und St. Raphael

Der nächste Stopp auf unserer Tour durch Addis führt uns auf den Entoto Hill, auf dem vor über 100 Jahren zunächst die Hauptstadt Äthiopiens lag. Dort besichtigen wir die Kirche St. Raphael, die ebenfalls zu einem touristischen Ziel erkoren wurde, da es eine alte Höhle gibt, die im 14. Jahrhundert in den Felsen geschlagen wurden, und seitdem als Kirche genutzt wurde. Dementsprechend wird wieder Eintritt für uns Touristen verlangt, woraufhin wir von einem lokalen Guide begleitet werden.

[Hannah Tonn, Vanessa Maith]

 

Die Kirche St. Raphael

In Äthiopien gibt es eine Vielzahl an verschiedenen Religionen, der Großteil der Bevölkerung ist jedoch entweder christlich orthodox oder muslimisch. Die genauen Daten zur Verteilung der Religionen auf die Bevölkerung unterscheiden sich stark und sind vermutlich auch oft von politischen Interessen geprägt. Grob kann man sagen, dass orthodoxe Christen und Muslime einen nahezu gleichen Anteil an der Bevölkerung von jeweils ungefähr 40-45% ausmachen. Die restlichen 10-20% bilden VertreterInnen des Protestantismus, Katholizismus, des Judentums oder anderer Religionen. Selbstverständlich gibt es auch Menschen, die sich keiner Religion zuordnen bzw. die zwar getauft sind, ihren Glauben jedoch nicht (mehr) intensiv ausüben.

[Franziska Falterer, Sophia Sipple]

Das Christentum hat in Äthiopien eine lange Tradition. Es wird vom griechischen Geschichtsschreiber Rufinus von Aquileia berichtet, dass 316 n. Chr.  zwei Brüdern, Frumentius und Aidesios, die auf ihrer Heimreise nach Tyrus waren, an der Küste des Roten Meeres überfallen wurden und an den Hof des Königs von Aksum (Nordäthiopien) verkauft worden seien. Dank ihrer griechischen Bildung seien sie zu Erziehern der Prinzen aufgestiegen und hätten der Königsfamilie ihren christlichen Glauben vermittelt. Frumentius sei später zum Patriarchen von Alexandria, Athanasius, gereist und sei von ihm zum Bischof von Aksum geweiht worden. So breitete sich das Christentum in Äthiopien als Staatsreligion aus, war aber bis zum 20. Jahrhundert der koptischen orthodoxen Kirche in Agypten unterstellt (Ancel u.Fiquet 2015). Folgende Grafik zeigt auf, was in den kommenden Jahrhunderten bis heute geschah.

Geschichte der äthiopisch-orthodoxen Kirche

Aufgrund der eher isolierten Lage entwickelten sich eigene Kirchentraditionen, die heute als orthodoxes äthiopisches Christentum gelten. Dazu gehören die Verehrung von neun Heiligen, eine eigene Kirchensprache namens Ge’ez (ähnlich wie Latein in der mittelalterlichen deutschen Kirche), und besondere Fastentraditionen (wir waren z.B. während der großen Fastenzeit vor Ostern unterwegs, in der die große Mehrheit der orthodoxen Christen auf Fleisch verzichtet. Die Vegetarier und Veganer unter uns waren also gut versorgt).

Deutlich wird dies auch am Aufbau der Kirchen. Wie die Kirche St. Raphael, die wir besichtigen, sind die äthiopischen orthodoxen Kirchen typischerweise oktogonal geschnitten. Es gibt einen Bereich für Frauen, einen für Männer. Der innerste Bereich ist nur den Priestern und Kirchendiener vorbehalten. Hier befindet sich in jeder Kirche eine Nachbildung der Bundeslade, deren Original bis heute in Aksum sein soll.

Da die Liturgie der orthodoxen Gottesdienste lange Zeit in der Kirchensprache Ge’ez abgehalten wurden, die nur die wenigsten verstanden, sind die Kirchen innen häufig mit Geschichten aus der Bibel bemalt. Solche Gemälde sehen wir auch in der Kirche St. Raphael:

Malereien in der St. Raphael Kirche

Quelle:

Ancel, S. u. E. Ficquet (2015): The Ethiopian Orthodox Tewahedo Church (EOTC) and the Challenges of Modernity. In: Prunier, G. u. E. Ficquet [Hrsg.]: Understanding Contemporary Ethiopia. Hurst & Company, London. S. 63- 92.

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