Miniforschung: Dagmar Kohlmeier

#ConnectRwanda – Smartphones als Werkzeug in eine wissensbasierte Wirtschaft?

Als wir in Ruandas Hauptstadt Kigali in einer der Geschäftsstellen des Telekommunikationsunternehmens MTN Rwanda angekommen waren, um uns ruandische Sim-Karten ausstellen zu lassen, fiel mir eine Box neben dem Tresen mit der Aufschrift #ConnectRwanda auf, in welche Smartphones gespendet werden können. Unmittelbar schwirrten mir einige Assoziationen durch den Kopf, erinnerte die Box schließlich an solche in Deutschland für gebrauchte oder defekte Mobiltelefone in Supermärkten. Doch während sich in Deutschland und auch mir persönlich eher die drängende Frage des wohin mit gebrauchten Smartphones stellt, handelt es sich bei der #ConnectRwanda Challenge, wie ich bald erfahren sollte, um Spenden von neuen Smartphones, am besten von solchen, die auch in Ruanda selbst hergestellt werden. Nichtsdestotrotz bleibt auch hier in Ruanda die Frage des Recyclings und der Kurzlebigkeit von Smartphones im Raum. Welchen Zweck die Kampagne schließlich verfolgt, wie erfolgreich diese ist und wie es um das Recycling von Mobiltelefonen und Smartphones in Ruanda steht, soll daher im Folgenden anhand von ausgewerteten Beobachtungen, Fragebögen und Interviews beleuchtet werden.

Abb.1: Spendenbox für Smartphones in einer MTN Geschäftsstelle in Kigali

Mobiltelefone und vor allem im urbanen Raum auch vermehrt Smartphones sind in Ruanda überall präsent. Werbung der großen Mobilfunkbetreiber säumt die Straßen; an Straßenkreuzungen sitzen AgentInnen selbiger und verkaufen mobile Daten, Guthaben und laden mobiles Geld auf. Längst werden Mobiltelefone und Smartphones nicht bloß zur Kommunikation genutzt, sondern dienen auch zur Überweisung von Geld und bargeldlosem Bezahlen mit mobilen Geldbörsen und der Information der BürgerInnen. So erreichte mich erst vor ein paar Tagen (5. März 2020) eine SMS mit Informationen zu den Symptomen des Coronavirus (SARS-CoV-2) sowie einer Nummer, die kostenlos im Verdachtsfall kontaktiert werden kann. Und auch die Nutzung mobiler Daten ist mit einer geographischen Abdeckung von 95,2 % mit 4G Internet, welches in Ruanda 97,2% der Bevölkerung erreicht, sehr gut abgedeckt (Mugisha 2019). Nicht zuletzt zielt die Nutzung von Smartphones in Ruanda, wie im Weitern noch genauer erläutert werden soll, auch auf eine damit einhergehende Zunahme des Wirtschaftswachstums, welches laut des Nationalen Statistikinstituts Ruandas (NISR) mit einer Zunahme des Besitzes von Mobiltelefonen einhergeht (Mugisha 2019).

#ConnectRwanda

Momentan liegt die Verbreitung von Smartphones in Ruanda jedoch noch unter 20%. Um diese digitale Kluft, die besonders den ländlichen Raum betrifft, zu überbrücken ist die Challenge #ConnectRwanda also als entwicklungspolitische Kampagne zu verstehen. Schließlich fügt sie sich in das höhergesetzte Ziel des Landes, bis zum Jahr 2035 den Stand einer wissensbasierten Wirtschaft zu erreichen (Mugisha 2019). Initiiert von MTN Ruanda, zusammen mit dem Ministerium für Informations- und Kommunikationstechnik (ICT) und Innovation ist der Staat und somit dessen Interessen direkt in die Challenge eingebunden (Mugisha 2019). Neben der Idee, dass über Social Media wie Twitter mit dem Hashtag #ConnectRwanda Menschen aufgefordert werden können, Smartphones zu spenden, welche über MTN an benachteiligte RuanderInnen verteilet werden, hat sich MTN Ruanda dazu verpflichtet, alle gespendeten Smartphones mit SIM-Karte inklusive kostenlosem Guthaben für die ersten drei Monate auszustatten (Ntirenganya 2020). Wer genau die gespendeten Smartphones erhält, entscheiden später MTN und das Ministerium für ICT und Innovation gemeinsam mit lokalen Verantwortlichen. Fest steht jedoch, dass besonders vulnerable Haushalte mit den Spenden ausgestattet werden sollen, allen voran solche, die über gar keine Mobiltelefone verfügen. Als ambitioniertes Ziel setzt sich die Kampagne, bis zum Ende des Jahres 2020 alle Haushalte in Ruanda mit mindestens einem Smartphone abgedeckt zu haben (Mugisha 2019). Ausgelegt ist die Challenge bis Juni 2020, sodass die von Einzelpersonen oder Institutionen versprochenen Smartphones bis dahin zur Verfügung gestellt werden (Ntirenganya 2020). Die Involvierung der ruandischen Regierung in die Challenge ist hierbei besonders hervorzuheben: So wurde diese während des 14. Treffens der Ruandischen Patriotischen Front – Ruandas Regierungspartei- im Dezember 2019 in Kigali ausgerufen worauf Präsident Paul Kagame 1500 Smartphones zur Unterstützung der Kampagne zusagte (Ngabonziza 2020). Folglich lässt sich die Frage stellen, ob sich die ruandische Regierung mit der Verbreitung von Smartphones neben dem damit verbundenen wirtschaftlichen Fortschritt noch andere Vorteile verspricht. Besonders bei der Betrachtung der Tatsache, dass über 80% der ruandischen Bevölkerung den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen über die online Plattform Irembo nutzen (Mugisha 2019), könnte auch die Frage der Datensicherheit der zumeist von staatlichen Institutionen gespendeten Smartphones, auf welche einige Dienste – unter anderem auch Irembo- vorinstalliert sind, aufkommen (Mwai 2019). Irembo, was so viel wie Haupteingang bedeutet, ist ein „One-Stop-E-Government-System“, ein Regierungsportal, über welches öffentliche Dienstleistungen wie z.B. Grundbuch- oder Führerscheineinträge und Informationen über einen Zugangspunkt zugänglich sind. Eingeführt im Jahr 2014 ist Irembo auf den Sprachen Kinyarwanda, Englisch und Französisch zugänglich (Bakunzibake et al. 2019, S.5f.). Das Regierungsportal ist jedoch nicht nur in einigen der gespendeten Smartphones, sondern auch in den Mara Phones, den ersten komplett in Afrika produzierten Smartphones, integriert, was Präsident Kagame als eines der innovativen Merkmale der Mara Phones hervorgehoben hat (Mwai 2019).

Smartphones Made in Africa

Die „Made in Africa“ Mara Phones werden von dem Konzern Mara Corporation mit Sitz in Ruandas Hauptstadt Kigali in der Kigali Special Economic Zone produziert und sind seit kurzem auf dem Markt. So sind in Kigalis Stadtzentrum einige Shops des Herstellers mit großer Außenwerbung zu finden. Innen werden die ersten zwei produzierten Modelle vorgestellt, welche vor allem für den afrikanischen Markt bestimmt sind und knapp 160$ bzw. 230$ kosten. Neben der Schaffung von tausenden von Arbeitsplätzen verspricht sich die Mara Corporation mit der Produktion von Smartphones besonders das Potential des Marktes für mobiles Geld mit in Afrika produzierten Smartphones zu nutzen (Hoskins 2019, S.22373). Demnach könnte auch die #ConnectRwanda Challenge als Marketingstrategie für Mara Smartphones gesehen werden: Nicht umsonst wird in einem Artikel zur Challenge auf die Frage, ob nur „Made in Rwanda“ Smartphones für die Challenge verwendet werden dürfen, geantwortet, dass dies nicht nötig sei, aber eine win-win Situation darstellt, da somit „Made in Rwanda“ Produkte gefördert werden (Mugisha 2019). Schlussendlich stellt Mara Phone laut Präsident Kagame einen Meilenstein für Ruanda auf dem Weg zu einer Hight-Tech-Industrie „Made in Rwanda“ dar (Mwai 2019). Dass dieser werdende Ruf Ruandas bereits Früchte trägt, stellte sich in einem Gespräch in der im Nordwesten des Landes am Kivu See gelegen Stadt Gisenyi mit einem tanzanischen Geschäftsmann heraus, der Ambassador für die Mara Phones in Tanzania werden wollte. Er betonte, die Smartphones aus dem Grund kaufen zu wollen, da sie „Made in Rwanda“ sind. Nachdem er in Gisenyi jedoch alle Smartphone-Shops und Stände aufgesucht hatte, musste er feststellen, dass es Mara Phones nirgends in der Stadt zu kaufen gibt. Sein Plan, einige der Smartphones zu kaufen, um die Qualität zu testen und schließlich weitere zu kaufen, um sie in Dar es Salaam weiterzuverkaufen, ging somit nicht auf. Vor Ort wurde er schließlich auf die Geschäftsstellen in Kigali verwiesen. Somit verließ er Gisenyi in der Hoffnung, dass die Mara Smartphones lange Batterielaufzeiten haben – ein feature, dass gerade auf dem afrikanischen Smartphonemarkt sehr gefragt ist und welches z.B. der chinesische Handyhersteller Tecno verspricht- und der Überlegung, nach Kigali zu reisen. Auch, wenn es noch keine Mara Smartphones in Tanzania zu kaufen gibt, so scheint das „Made in Rwanda“ Label und die Produktion der Smartphones in Ruanda als Vorbild für das Nachbarland zu gelten. In den Worten des Kunden aus Tanzania ausgedrückt: Was ein so kleines Land wie Ruanda kann, kann ein großes Land wie Tanzania auch schaffen. Diese Inszenierung der Vorreiterrolle Ruandas, auch hinsichtlich des wirtschaftlichen Wachstums und Erfolgs für Tanzania und Ostafrika wird schließlich von den Aussagen von Paula Ingabire gestützt. Die Ministerin für ICT und Innovation verkündete am 31. Dezember 2019, dass mit der #ConnectRwanda Challenge bereits über 31.000 Smartphones versprochen wurden (Ntirenganya 2020). Nicht zu vergessen ist bei all den positiven Nachrichten zur Challenge jedoch, dass diese von staatlichen oder regierungsnahen Zeitungen wie der „The New Times“ stammen, in denen Kritik an der Regierung Ruandas nur selten Platz finden.

Reparatur von Smartphones in Gisenyi

Während der kleinen Forschung in Gisenyi stellte sich heraus, dass die #ConnectRwanda Challenge bei den befragten VerkäuferInnen sowie Mitarbeitenden von Smartphonereperaturshops jedoch nicht bekannt war- Menschen, von denen angenommen wurde, dass sie als ehestes davon gehört haben könnten. Gleichzeitig ist jedoch nicht zu vergessen, dass die Challenge auch eine bestimmte Einkommensklasse in Ruanda anspricht. Neben der Tatsache, dass Mara Phones in Gisenyi nicht zu kaufen sind, waren die Gespräche und Auswertungen von Fragebögen, die sich an Smartphone- ShopbesitzerInnen und ReparaturshopInhaberInnen richteten, sehr aufschlussreich in Bezug auf das Recycling und die Reparatur von Smartphones in der Stadt. So werden im größten Reperaturshop in Gisenyi für Marken wie Samsung, iPhone, HTC, Tecno und Infinix alle möglichen Reparaturen vom Wechseln der Screens bis zum Motherboard durchgeführt. Die Ersatzteile allerdings – wenn sie nicht aus alten Handys verwendet werden- stammen vor allem aus Dubai und China. Da Smartphones in Ruanda laut den Umfragen häufig repariert werden bevor ein neues Handy angeschafft wird, lässt sich hier mit Spannung in die Zukunft blicken: Wenn Mara Phones in Kigali produziert werden, so scheint der Markt für Smartphone-Ersatzteile „Made in Africa“ nur ein logischer Schritt. Da mich ein Smartphone Verkäufer auf das Carlcare Service Center in Gisenyi aufmerksam gemacht hat, in welchem KlientInnen Smartphones reparieren lassen können, solange diese noch Garantie haben, habe ich mich auch dort erkundigt, wie es um die Reparatur von Smartphones steht. Das Carlcare Service Center mit Firmensitz der Kette in Guangdong, China repariert in Gisenyi neben Anderem vor allem Smartphones der Marken Infinix, Tecno und Itel. Bei der sehr ausführlichen und anschaulichen Erklärung der Reparaturvorgänge durch einen Mitarbeiter im Center konnte ich erfahren, dass kleinere Reparaturen an den Smartphones – wie die von defekten Kopfhöreranschlüssen- direkt vor Ort vorgenommen werden; sobald jedoch größere Arbeiten am Motherboard anstehen, die Smartphones allerdings nach Kampala, Uganda gesendet werden, um dort von ArbeiterInnen, die durch chinesische Spezialistinnen angeleitet werden, repariert zu werden.

Was lässt sich also aus einer so limitierten Forschung in Gisenyi über Smartphones und deren Recycling in Ruanda sagen? Mit diesen kleinen Einblicken und Beobachtungen, den allgegenwärtigen Smartphone-Werbungen, nach Gesprächen mit SmartphoneverkäuferInnen und Reparateuren und einem Kunden aus Tanzania und der Recherche zu #ConnectRwanda und Mara Phones durch online Artikel lässt sich der hohe Stellenwert von Smartphones im Land nur erahnen. Ob und wie der Markt für Smartphones sich ändern wird, welche Wege der Verbreitung und Datensicherheit der Smartphones sich etablieren werden und ob es bald auch in Deutschland Smartphones „Made in Africa“ zu kaufen gibt, wird die Zukunft zeigen.

 

 

Literatur:

Bakunzibake P.; Klein G.O. und S. M. Islam (2019): E‐government implementation and monitoring: The case of Rwanda’s ‘one‐stop’ E‐government. In: The Electronic Journal of Information Systems in Developing Countries. (https://doi.org/10.1002/isd2.12086).

Hoskins V. (2019): Rwanda – First African-Made Smartphone. In: Africa Research Bulletin 55 (11), S. 22373.

 

Internetquellen:

Mugisha E. C. (2019): What you should know about ‘Connect Rwanda’ campaign (The New Times); URL: https://www.newtimes.co.rw/news/what-you-should-know-about-connect-rwanda-campaign (abgerufen am: 01.03.2020).

Mwai C. (2019): Kagame: The Mara Phone is a milestone for Rwanda (The New Times); URL: https://www.newtimes.co.rw/news/kagame-mara-phone-milestone-rwanda (abgerufen am: 01.03.2020).

Ngabonziza D. (2020): Connect Rwanda Challenge: RDB Hands Over Smartphones to Park Rangers (KT Press); URL: https://www.ktpress.rw/2020/01/connect-rwanda-challenge-rdb-hands-over-smartphones-to-park-rangers/ (abgerufen am: 27.02.2020).

Ntirenganya E. (2020): Over 30,000 smartphones pledged under Connect Rwanda challenge (The New Times); URL: https://www.newtimes.co.rw/news/over-30000-smartphones-pledged-under-connect-rwanda-challenge (abgerufen am: 01.03.2020).