Beschreibung des Projektablaufes:
Im Rahmen des Studienprojektes „Made in Bayreuth“ des Geographischen Institutes an der Universität Bayreuth im Wintersemester 2018/19 wurde das Potential „Urbaner Produktion“ für die Innenstadt einer mittelgroßen Stadt wie Bayreuth untersucht.
Die Forschung umfasste zunächst eine umfassende Literaturrecherche zum historischen Kontext der Stadt Bayreuth und zum Stand der Forschung in Bezug auf die Gemischte Stadt, Urbane Produktion und Fördermaßnahmen zur Unterstützung der Urbanen Produktion.
Auf diesem Wissensstand aufbauend wurde ein Methodenmix bestehend aus einer Kartierung, Experteninterviews, einer Bürgerbefragung und Fallstudien zu den Unternehmen angewendet, um die Frage des Potentials facettenreich darstellen zu können.
Am Ende des Projektes wurden sämtliche vorangegangenen Ergebnisse synthetisiert und in Anlehnung an eine Handlungsempfehlung grafisch zusammengefasst.
Konzeptioneller Hintergrund:
Historischer Kontext der Stadt Bayreuth:
Die Auseinandersetzung mit dem historischen Kontext der Stadt Bayreuth hatte zum Ziel auf heutige Wirtschaftsstrukturen der Stadt Bayreuth schließen zu können.
Städte folgen einer gewissen Pfadabhängigkeit beziehungsweise einem zugesprochenen Image, was wiederum weitere Planungsverfahren beeinflussen kann.
Seit dem Mittelalter wird produzierendes Gewerbe in den Innenstädten praktiziert. Zu Zeiten des Absolutismus legten in Bayreuth die Markgrafen den Grundstein für Bayreuth als einen Kulturstandort. So baute Markgräfin Wilhelmine ab 1732 das Opernhaus, das Neue Schloss mit dazugehörigem Hofgarten und die Eremitage. Dies hatte einen Multiplikatoreffekt und zog wohlhabende Bürger in die Stadt. Infolgedessen bildeten sich Verwaltungsstrukturen, die Bayreuth noch heute prägen. 1872 wurde zusätzlich der Komponist Richard Wagner nach Bayreuth gerufen.
Trotz zeitweiser Aufschwungsphasen der Industrie, vor allem im Bereich der Textilindustrie, etablierte sich Bayreuth nicht als Industriestandort. Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts wurden dann bis auf wenige Ausnahmen die kleinen Manufakturen und der individuelle Einzelhandel durch die eingetretene Filialisierung zunehmend aus der Innenstadt verdrängt. Deshalb liegt der Fokus heute in der Innenstadt auf dem kulturellen Erbe und dem damit verbundenen Tourismus und der Filialisierung.
Gemischte Stadt:
Das Leitbild der gemischten Stadt sieht eine Funktionsmischung von Wohnen, Arbeiten, Versorgen, Bilden und Freizeit vor. Dabei wird gleichzeitig eine Stadt der kurzen Wege angestrebt, also dass die einzelnen zuvor genannten Funktionen auf kürzestem Wege erreicht werden können. Das übergeordnete Ziel ist eine nachhaltige Stadtentwicklung.
Urbane Produktion:
Wir haben uns in diesem Projekt für die Urbane Produktion an folgende Definition nach BRAND, GÄRTNER, MEYER (2017: 1) gerichtet:
„Urbane Produktion bezeichnet die Herstellung und Bearbeitung von materiellen Gütern in dicht besiedelten Gebieten, die häufig lokale Ressourcen und lokal eingebettete Wertschöpfungsketten nutzt. Die eigenwirtschaftlich agierenden Betriebe weisen dabei vielfach Verflechtungen mit kreativen Milieus und lokalen Dienstleistungen auf“.
Die Definition umfasst Produkte materieller Art, wodurch digitale Produkte wie beispielsweise Film oder Software wegfallen, hingegen werden aber Reparaturen, die im engeren Sinne keine Produktherstellung bedeuten, zur Urbanen Produktion gezählt. Wichtig ist, dass von regionalen Wertschöpfungsketten ausgegangen wird. Damit Urbane Produktion erfolgreich gestaltet werden kann, müssen Nutzungskonflikte mit der Anwohnerschaft vermieden werden, z.B. durch emissionsarme und ressourceneffiziente Produktions- und Transportweisen.
Für Urbane Produktion könnten Digitalisierung und Industrie 4.0 von großer Bedeutung sein. Sie umschreiben die digitale Steuerung von Produktionsschritten und die Einbeziehung digitaler Innovationen in Produktionsprozess und Logistik. Es entstehen neue Arten der Interaktion zwischen Menschen und Maschinen, unterschiedlichen Maschinen, Anlagen, Produktion, sowie neue Verknüpfungen zwischen Software und materieller Produktion. 3D-Drucker sind ein Beispiel digitaler Urbaner Produktion.
Es lassen sich drei Kategorien von Urbaner Produktion bilden. Diese sind Urbane Manufakturen, Urbane Industrie und Urbane Landwirtschaft.
Die Urbane Produktion kann ein wichtiger Teilaspekt zur Verwirklichung des Leitbildes der gemischten Stadt sein, der auf aktuell stattfindende gesellschaftliche Entwicklungen reagiert.
Angewandte Methoden:
In diesem Abschnitt werden die angewendeten Methoden vorgestellt. Die Ergebnisse der Methoden werden am Ende in der Synthese unter Einbezug des konzeptionellen Hintergrundes dargestellt.
Kartierung:
Die Kartierung diente dazu, einen Überblick über den Bestand des produzierenden Gewerbes innerhalb der Bayreuther Innenstadt herauszufinden. Dabei wurden die Betriebe in die Kategorien Urbane Manufakturen, Urbane Industrie und Urbane Landwirtschaft unterteilt. Die nachfolgenden beiden Karten zeigen zum einen die Untersuchungsgebiete innerhalb Bayreuths und zum anderen die ansässigen Unternehmen der Urbanen Produktion innerhalb der Untersuchungsgebiete.
Karte 1: Untersuchungsgebiete innerhalb Bayreuths
Karte 2: Ansässige Unternehmen der Urbanen Produktion innerhalb der Untersuchungsgebiete
Experteninterviews:
Für die leitfragengestützten Interviews wurden Experten der Wirtschaftsförderung Bayreuth und des Stadtplanungsamtes Bayreuth befragt.
Bürgerbefragung:
Ziel der Bürgerbefragung war es, das Potential und das Interesse zum Thema Urbane Produktion innerhalb der Bevölkerung Bayreuths herauszufinden. Hierfür wurden 100 Bürger nach einem Teilstandardisierten Fragebogen befragt, mit dem Ziel ein Stimmungsbild abzeichnen zu können.
Die Ergebnisse wurden dabei mit dem Programm SPSS (Statistical Package for the Social Sciences) ausgewertet.
Fallstudien der Unternehmen:
Hierfür wurden zwei Fallstudien zu Unternehmen innerhalb der Innenstadt mit dem Unternehmen Tragwerk als Teil der Urbanen Manufaktur und mit dem Unternehmen ebu-Umformtechnik als Teil der Urbanen Industrie und eine Fallstudie zu dem FabLab-Bayreuth, welches sich außerhalb der Innenstadt befindet, aber relevant ist in Bezug auf neue Produktionsformen (Stichwort Industrie 4.0), erstellt.
Auch hierfür wurden leitfragengestützte Fragebögen erstellt.
- Das FabLab-Bayreuth
Teilbereich aus dem Laborraum (eigene Aufnahme, 2019)
3D-Drucker des FabLab-Bayreuths (eigene Aufnahme, 2019)
- Das Unternehmen Tragwerk als Teil der Urbanen Manufaktur
Tragwerk, Gebäude in der Sophienstraße von außen (O.A. (o.J.): Tragwerk. https://www.cube.de/Tragwerk-Sophienstrasse-20-95444-Bayreuth.html, letzter Zugriff: 24.02.2018.)
Tragwerk, Gebäude in der Sophienstraße von innen (WAHA, E. (o.J.): Tragwerk. http://www.melanie-nuetzel.com/tragwerk.html, letzter Zugriff: 24.02.2018.)
- Das Unternehmen ebu-Umformtechnik als Teil der Urbanen Industrie
Bürogebäude der ebu-Umformtechnik (eigene Aufnahme, 2018)
ebu-Umformtechnik Firmengelände (grün-gestrichelt) in direkter Nachbarschaft zu Wohnbebauung
Zusammengefasste Ergebnissynthese mit anschließender – an eine Handlungsempfehlung angelehnte – Abbildung:
In den Innenstädten zu Produzieren ist keine neue Idee. Auch in der Bayreuther Innenstadt besteht noch in kleiner Stückzahl produzierendes Gewerbe. Dabei haben unsere Fallstudien ergeben, dass es zu keinen Nutzungskonflikten mit Anwohnern kommt. Zugleich kann auch die Industrie 4.0 mit neuen emissionsarmen Technologien wie etwa 3D-Druckern und die Digitalisierung zukünftig noch weitere Potentiale für die Urbane Produktion in der Innenstadt erschließen, wie die Fallstudie des FabLab-Bayreuths zeigt.
Hierdurch ergeben sich für die Bayreuther Innenstadt Potentiale, z.B. durch die Bildung lokaler Wertschöpfungsketten, Reduzierung des Flächenverbrauchs und kürzere Transportwege, was letztendlich wiederum zum Klimaschutz beiträgt. Somit kann Urbane Produktion ein wichtiger Bestandteil für die Verwirklichung der gemischten beziehungsweise nachhaltigen Stadt auch für eine mittelgroße Stadt wie etwa Bayreuth, sein.
Bezüglich des erhobenen Stimmungsbildes der Bürgerbefragung hat sich zudem gezeigt, dass die Menschen zunehmend bereit sind, mehr Geld für lokale und individuelle Produkte auszugeben. Dies spricht wiederum für die Urbane Produktion, bei der es nicht um Massenproduktion geht, sondern um die Produktion von individuellen und an den Gesellschaftswandel angepasste Produkte, auch in kleinen Stückzahlen. Außerdem ergab die Befragung, dass sich viele der Befragten Urbane Produktion vorstellen könnten. Das Potenzial ist laut Gespräch mit der Wirtschaftsförderung allerdings eher geringer, da es zu viele Vorurteile gegen über produzierendem Gewerbe in der Stadt aufgrund von etwa Emissionsausstoß gäbe. Der Fokus der Stadt Bayreuth liegt nach Angaben der Wirtschaftsförderung auf neuen Technologien und Forschung, sowie im Dienstleistungs- und Planungssektor, Tourismus und Kultur. Zudem vermieten viele der Immobilienbesitzer in der Bayreuther Innenstadt ihre Immobilien lieber an den finanzkräftigen Einzelhandel.
Das Problem dabei ist aber, dass der Einzelhandel zunehmend vom Online-Handel verdrängt wird und alternative Konzepte fehlen, welche die Resilienzfähigkeit der Stadt Bayreuth gewährleisten können. Auch hierbei könnte also die Urbane Produktion ein alternatives Konzept darstellen. Gerade auch deshalb, um vielen der wegziehenden Studierenden neuen kreativen Raum zu bieten.
Die stadtplanerischen Voraussetzungen mit bereits vielen ausgewiesenen Mischgebieten im Flächennutzungsplan und den Bauleitordnungen würden Urbane Produktion ermöglichen, wie das Interview mit Experten des Stadtplanungsamts Bayreuth ergab. Außerdem wären Räumlichkeiten vorhanden, da besonders im Gassenviertel Leerstand besteht.
Auf Basis unserer Untersuchungsergebnisse schlagen wir folgende Maßnahmen vor:
- Förderung von Kreativwirtschaft und neuen Technologien
- Verändertes Leerstandsmanagement (Ansiedlung von Gewerbe in den Gassen)
- Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit (Akzeptanz in Bevölkerung und privaten Investoren)
- Co-Working-Spaces, Experimentierräume, Gründungswettbewerbe und Straßenfeste ermöglichen
Die Untersuchungsergebnisse sind in der folgenden Grafik in Form von Handlungsempfehlungen illustriert.
Leitung:
Frau Prof. Anna Butzin
Verfasser:
Huang Wenchi
Markl Karl
Reinsch Michael
Zittenzieher Wilhelm