Übermorgen werden wir mit den Studenten aus Bukavu unsere gemeinsame Forschung in Goma starten. Wir haben uns ja bereits gegenseitig vor ein paar Tagen kennengelernt: Es war sehr herzlich! Genau wie wir, wenn nicht sogar noch mehr als wir, sind sie hochmotiviert! Ich persönlich hoffe, dass wir uns gegenseitig während der Forschung gut verstehen werden, auch abseits der eventuell bestehenden Sprachhürden. Unsere kongolesischen KollegInnen haben nämlich fachlich einen sehr ökonomisch-theoretischen Himtergrund und arbeiten vor allem quantitativ. Mit ökonomischen Modellen bin ich selbst zwar auch etwas vertraut durch mein Nebenfach Wirtschaft, jedoch bin ich, genau wie meine KommilitonInnen, mehr in der qualitativen Forschung verankert. Interviews und teilnehmende Beobachtung sind meine Hauptmethoden, weniger die Arbeit mit harten Zahlen und Statistiken. Obwohl es natürlich sein kann, dass sich durch unsere methodologischen Unterschiede Schwierigkeiten in der gemeinsamen Forschung ergeben, bin ich doch optimistisch, dass wir uns gegenseitig ergänzen werden.
Interessant und bewundernswert fand ich auch die Studienbedingungen der KongolesInnen. Für einen Bachelorabschluss in der demokratischen Republik Kongo sind nämlich nicht wie bei uns 6 Semester, sondern 5 Jahre angesetzt. Unsere KollegInnen sind alle im fünften Bachelorjahr, also rein zeitlich gesehen wesentlich erfahrener als wir. Die Université Catolique de Bukavu mitsamt Campus ist zudem umgezogen auf einen Hügel etwas außerhalb der Stadt. Eine geschlagene halbe Stunde dauert die Fahrt dorthin auf miserabelsten Straßen in einem der alten Toyota Coaster Busse, die nicht nur in Ruanda das Straßenbild bestimmen. Neben den obligatorischen Studiengebühren, die im Verhältnis zum Pro-Kopf Einkommens DRKs natürlich sehr hoch sind, müssen die StudentInnen auch jeden Tag diese Fahrten bezahlen, um Vorlesungen besuchen zu können. Der Grund für den Umzug ist der enorme Wachstum der Studentenzahlen. Konnte der alte Campus in Bukavu lediglich ein paar wenige hundert StudentInnen beherbergen, so sind es heute etwa 3000! Uns wurde gesagt, dass sie planen, diese Zahl auch noch bis in den fünfstelligen Bereich zu erhöhen; dann wäre die UCB ähnlich groß wie unsere gute alte Bayreuther Uni.Verwundert, ja beinahe etwas fassungslos, war ich beim Anblick der Bibliothek der Uni. Ein kleiner Raum, etwa so groß wie mein Wohnheimzimmer in Bayreuth, abgetrennt mit einer Glasscheibe vom Gang, bei dem man wie an einem Schalter ein Buch von dem dahinter sitzenden Bibliothekar verlangen konnte. Gegen diese Bibliothek wirkt sogar unsere traute Geobib rein größentechnisch wie die Bibliothek von Alexandria. Mir drängte sich als fleißiger Fernleiher natürlich sofort die Frage auf, was man denn tun könnte, wenn ein benötigtes Buch eben gerade in dieser Bibliothek nicht vorhanden wäre. Die simple Antwort: Man sucht eben in anderen Bibliotheken so lange danach, bis man es (hoffentlich) dann auch findet. Nix Fernleihe!
Wenn man jetzt bedenkt, dass die Université Catolique de Bukavu im nationalen Ranking auf Platz 2 hinter der Uni in der Hauptstadt Kinshasa liegt und damit quasi sowieso schon zu den Elite-Unis in DRK gehört, wird einem erst bewusst, unter welch paradiesischen Bedingungen man eigentlich selbst studieren darf. Beinahe kostenfrei, Fernleihe, große Bibs, stadtnah… Ob ich es fertig bringen würde in DRK einen Bachelor zu bekommen? So sicher wäre ich mir da nicht.
Umso mehr motiviert mich die Zuversicht und der Biss unserer kongolesischen KollegInnen, den ich bisher wahrgenommen habe, für unsere gemeinsame Forschung in Goma!