Kunst in Addis Ababa (Einführung)
Die Kunst in Äthiopien (einschließlich Musik) war lange Zeit von christlichen Darstellungen geprägt. Diese meist ikonographischen Werke waren nach strengen Regeln angefertigt, Identität von KünstlerInnen spielten dabei eine untergeordnete Rolle.
Erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickeln sich andere Formen von Kunst, die nichtreligiöse Themen haben. Besonders durch die sozialistische Zeit Äthiopiens wurde vonseiten der Regierung eine Kunst gefordert, die über Religion steht. Sie sollte vielmehr sozialistischen Gedankengut verbreiten. Seit 1991, durch den Regierungswechsel, ist nun das Recht auf kulturellen Ausdruck für alle ethnischen Gruppen Äthiopiens festgeschrieben. Dennoch kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen gegenwärtigen KünstlerInnen und der Regierung, insbesondere wenn durch Kunst bzw. Musik Kritik am politischen System ausgeübt wird.
Forschungsfrage
Die Forschungsgruppe bestehend aus Franziska Falterer, Jonas Lüth, Jakob Söder, Johanna Strobel und Pauline Windler untersucht, welche Perspektiven KünstlerInnen und MusikerInnen auf den aktuellen sozio-ökonomischen Wandel haben. Dabei stehen im Fokus Fragen nach der persönlichen Wahrnehmung, Auswirkungen des Wandels auf die jeweilige Person selber sowie aktive Mitgestaltung der Transformationsprozesse durch KünstlerInnen selber.
Methoden
Für die Forschung wurde eine induktive, partizipative Herangehensweise gewählt. Als Methoden kamen die teilnehmende Beobachtung, Experten- und narrative Interviews, und Deep-Listening zum Einsatz. So wurden verschiedene kulturelle Orte besucht, mit KuratorInnen, KünstlerInnen, StudentInnen, MusikerInnen und AktivistInnen Interviews geführt sowie englischsprachige Liedtexte äthiopischer MusikerInnen ausgewertet.
Ergebnisse
Äthiopien – ein Land mit bereits sehr tradierten Kunst- und Musikformen – befindet sich aktuell in einem Prozess des Wandels: An vielen Orten wird ein Spannungsfeld aus Tradition und Moderne bemerkbar, welches sich besonders in der Hauptstadt Addis Abeba deutlich abzeichnet. Für die erforschten KünstlerInnen und MusikerInnen bedeutet dies, dass auch sie von den gesamtgesellschaftlichen, politischen Veränderungen betroffen sind und direkt oder indirekt diese Veränderungen spüren. Gleichzeitig wirken neben diesen lokalen Veränderungen auch globale Prozesse auf die KünstlerInnen und MusikerInnen ein, die sich während der Forschung an verschiedenen Punkten abzeichneten. Im Gegenteil nehmen die KünstlerInnen und MusikerInnen diese Veränderungen nicht unverändert hin, sondern sie drücken sich selbst im Wandel aus.
Dennoch geht jeder der KünstlerInnen und MusikerInnen anders mit der Veränderung um. Verarbeiten manche die aufkommende Trauer und Wut alleine in ihren Wohnungen und Ateliers, so versuchen andere alle Möglichkeiten der öffentlichen Präsentationsform auszutesten und gehen hierfür mit ihrer Kunst in die Öffentlichkeit, wo sie mit Restriktionen von der Regierung und mangelnder Anerkennung von der Bevölkerung konfrontiert werden. Viele suchen nach Räumen der Freiheit, die sie aufgrund der Globalisierung nicht nur im nationalen, sondern auch im internationalen Rahmen sehen und damit verbunden neue Zukunftswege und Möglichkeiten für sich entwerfen.
Dies wirft eine weitere Frage auf: Können die KünstlerInnen und MusikerInnen weiterhin ihre Freiräume gegenüber den politischen sowie sozialen Veränderungen wahren? Was wird mit der zeitgenössischen Kunst in Addis Abeba in den nächsten Jahren passieren? Fällt sie den nationalen politischen Prozessen oder globalen Veränderungen zum Opfer? An dieser Stelle werden sich zu diesen Fragen – abgesehen von Spekulationen – momentan keine Antworten finden.
Auch wenn diese Forschung bereits einen Überblick über die Forschungsthematik bietet, so ist sie dennoch erst als kleiner Ansatz und als Einladung in das Forschungsfeld zu verstehen, da für ein umfassenderes Forschungsergebnis eine ausgiebigere Forschung mit zusätzlichem Datenmaterial nötig wäre. Es gilt dabei wiederholt hinter die Fassade des Offensichtlichen zu gelangen, um eine tiefere Bedeutungsdimension zu erfassen, wozu jedoch eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Forschungsfeld unerlässlich ist.