Der Mercato (Einführung)
Der Mercato gilt als einer der größten offenen Märkte Afrikas und befindet sich im Nordwesten von Addis Ababa. Er bietet Platz für buntes Treiben, Tausende von Menschenmassen, die verschiedensten Transaktionen und so gut wie jedes Produkt sind hier zu finden. Der Mercato, als zentrale Plattform für den urbanen Handel und Ausgangspunkt für den Kommerz des Landes, aber auch als Knotenpunkt für die Vernetzung von Stadt und Land, stellt eine äußerst wichtige Funktion für Äthiopien dar. Vor allem deshalb sind jegliche stattfindenden Entwicklungen auf dem Mercato eine Beobachtung wert. Ein Sprichwort sagt: „If it’s in Ethiopia, you can find it in Mercato; if it’s not sold in Mercato, then it’s not in Ethiopia.“ (VARSCAJ et al. 2016: 122).
Damit weist der Mercato eine herausragende Rolle auf, um zahlreiche Lebens- und Handelswelten innerhalb Äthiopiens widerzuspiegeln.
Forschungsfrage
Im Zuge dessen beschäftigten sich die Studierenden Kevin Possehl, Johanna Kaiser, Lukas Gartner und Hannah Tonn mit der Frage, wie sich gesellschaftliche Transformationen auf dem Mercato zeigen. Als für die ForscherInnen zugänglicher Raum erweist sich der Mercato als Brennglas für gesellschaftliche Entwicklungen. Auch wenn der Raum des Mercatos in seiner Fläche begrenzt zu sein scheint, geht der Mercato über tausende Relationen darüber hinaus.
Seit einigen Jahren befindet sich der Mercato im Wandel. Mehrstöckige Einkaufszentren lösen offene Verkaufsstände oder den Straßenverkauf ab. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden zwei konkrete Dimensionen zur Untersuchung definiert. Ersteres bezieht sich auf den privaten vs. öffentlichen Raum und die zweite umfasst Baustrukturen, jeweils auf Transformationsprozesse bezogen.
Methoden
Mithilfe der verwendeten Methoden wurde der Wandel auf dem Mercato erforscht. Dazu wurden von den ForscherInnen zunächst zwei Transsekte definiert, um den großen Markt einzugrenzen. In der Umgebung der Transsekte wurde nun zum einen teilnehmende Beobachtung mit einigen informellen Interviews durchgeführt sowie Fotografie als Methode eingesetzt, um Spuren von Transformationen festzuhalten. Zum anderen wurden thematische Kartierungen zum Bautyp und Nutzung der an Straßen angrenzenden Häuser, und Soundwalks durchgeführt.
Ergebnisse
Der Markt als Baustelle schafft neue Räume und Ordnungsstrukturen. Die neuen baulichen Strukturen können dabei als Materialisierung des Wandels verstanden werden. Ebenso wird anhand der Baustrukturen der Staat auf dem Mercato sichtbar. Denn der vom Staat initiierte Local Development Plan for Ethiopia sieht eine vertikale Entwicklung der Baustrukturen vor (VARSCAJ 2016). Es kommt zur vertikalen Verdichtung des Raumes, aber gleichzeitig auch zur Segregation, denn vor allem informelle Händler werden aus dem Straßenbild erodiert. Gleichzeitig werden die mehrstöckigen Einkaufszentren entgegen ihrer intendierten Nutzung verwendet. Wie vielerorts beobachtet wurde, werden vorwiegend Erdgeschoss und der erste Stock frequentiert, mit steigender Höhe werden die Gebäude aber immer leerer.
Auch der private Raum auf dem Mercato steht durch die mehrstöckigen Neubauten in neuen Aushandlungsprozessen. Gerade im zweiten gewählten Transsekt zeigen sich die Spuren von privatem Raum, d.h. zum Beispiel spielende Kinder, parkende Autos, Wäscheleinen und Satellitenschüsseln. Es bleibt abzuwarten, wohin sich der private Raum in Zukunft verschieben wird.
Durch die auf einen Zeitpunkt fixierte Forschung konnte nur begrenzt der Wandel erforscht werden. Dennoch erweist sich der Mercato als ein fruchtbarer Untersuchungsgegenstand, da sich Spuren der staatlich intendierten Transformation zeigen.
Quellen
VARSCAJ, S. und LEWIS, L. (2016): Mercato – Densification without Segregation. In: ANGÉLIL, M. und HEBEL, D. [Hrsg.]: Cities of Change – Addis Ababa. Birkhäuser, Basel. 121-126.