Der Vulkan ruft!

Es ist der Tag, an dem ein Großteil der Gruppe wohl mit einem flauen Gefühl im Magen aufgewacht ist. Heute steht die Besteigung des Visoke an, einem 3711 Meter hohem Stratovulkan. Viele besorgte Diskussionen gab es im Voraus, wobei die meisten auf dem Zweifel an der eigenen Kondition oder der Angst vor Höhenkrankheit fußten. Doch diesen Ängsten müssen wir uns nun stellen.

Sehr früh am Morgen treffen wir uns am Sammelpunkt, von dem alle Touren in diesem Teil des Nationalparks starten, und besprechen die wichtigsten Details der Tour. Uns stehen 1000 Höhenmeter und bestes Wanderwetter bevor. Zum Fuß des Berges kommen wir mithilfe mehrerer Geländewagen, die uns für etwa vierzig Minuten durch kleine Dörfer und über buckelige Pisten schaukeln.

Die eigentliche Tour startet am Rande eines Dorfes, welches sich in weite Felder aus Pyretrum und Kartoffelpflanzen bettet. Wer möchte, bekommt einen Wanderstock in die Hand gedrückt und dann geht es auch schon los. Wir wurden vorgewarnt, dass es die Tage davor starke Regenfälle gab und uns deshalb eine Menge Matsch und Schlamm erwarten würde. Was wir vorfinden übertrifft jedoch alle Erwartungen. Das erste Stück führt uns für etwa eine Dreiviertelstunde auf einem wenig steilen Weg zu einem Rastplatz, von wo aus der eigentliche Anstieg beginnt. Aber dorthin gelangen wir mehr rutschend und schlitternd als wandernd und sind nach gut zehn Minuten von Kopf bis Fuß mit Schlamm beschmiert, wobei wir bei jedem Fehltritt bis über die Knöchel im Dreck versinken. Nach Rast und Stärkung starten wir durch und schon nach kurzer Zeit bilden sich Grüppchen je nach Wandertempo. Der Aufstieg ist beschwerlich, da der Pfad an vielen Stellen sehr ausgewaschen und rutschig ist. Teils finden wir uns vor wenig Halt bietenden versiegelten Platten und hüfthohen, matschigen Stufen, die so einige ins Straucheln bringen. Auch die Höhenkrankheit lässt nicht lange auf sich warten und so begleiten Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit den ein oder die andere. Trotz allem haben wir die Möglichkeit, stellenweise die weitläufige Landschaft zu bewundern und die sich verändernden Vegetationsstufen zu diskutieren. Sukzessive treffen alle am Gipfel ein, begleitet von einer ’standing ovation‘ der Gipfelstürmer. Erleichterung und Euphorie kommen auf, als auch das letzte rot verschwitzte Gesicht am Rand des Berges erscheint.

Die Aussicht ist atemberaubend – und das in alle Richtungen. Besonders jedoch beeindruckt uns der große Kratersee, mit einem Durchmesser von 400m und einer Tiefe von 100m. Trotzdem zwingen die vorangegangenen Anstrengungen die erschöpften Wandersleute in die Knie und ziemlich schnell dösen die ersten in der Sonne. Nach einer anständigen Brotzeit kommt so langsam Bewegung in die Gruppe, der Gipfel wird erforscht und viele Fotos geknipst.
Wie wir doch alle wissen, folgt auf ein Hoch meist ein Tief und so kann sich auch jetzt niemand vor dem Abstieg drücken. Dieser gleicht mehr einer Rutschpartie und so manch eine/r landet längs im Schlamm. Dank unserer hilfsbereiten, ruandischen Begleiter wird uns deswegen an den schwierigen Stellen eine helfende Hand gereicht.

Und so erreichen auch alle nach dem flotten Rückweg das Tal und wir bekommen noch einmal an einem Aussichtspunkt die Gelegenheit, die vielfältige und bergige Umgebung zu bewundern. Völlig erschöpft aber überglücklich erreichen wir die Unterkunft.Es steht fest: Der Berg aus Befürchtungen war größer als der Berg selbst! Wir können ausnahmslos alle stolz auf uns und unsere Selbstdisziplin, aber auch unsere Selbsteinschätzung sein, die wir an diesem Tag zu Beweis gestellt haben, denn so einige sind in diesen Stunden an ihre Grenzen gegangen.

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