Stadttauben sind verwilderte Haustauben, die als domestizierte Form von der Felsentaube, Columba Livia, abstammen. Blickt man von der Marienkirche über Kraków oder von einer der vielen Anhöhen über Lwiw, wird schnell klar, dass das Meer aus Wohngebäuden, Cafés, Denkmälern, Brücken und Türmen ein beinahe ideales Gebirge für die einstigen Felsenbewohner formt. Mit zahlreichen Nischen in und an den Altbauten zum Wohnen, breiten Plätzen zum Flanieren und Brunnen zum Baden. Ein Königreich für eine Taube. Keine „Ratte der Lüfte“, sondern sogar „Verzauberter Ritter“ am Krakauer Marktplatz, Spielkamerad für kleine und große Kinder, Urbanitätssymbol und neugieriger Beobachter der Passanten. Durch ihren herausragenden Orientierungssinn und Heimfindevermögen vielleicht sogar der geographischste unter den Vögeln. Gewissermaßen sind sie aber in Lwiw auch eine Metapher für Armut. Für all diejenigen, die tagtäglich zum Improvisieren gezwungen sind. Die in Abfällen nach Verwertbarem suchen, mit verkrüppelten Füßen durch die Straßen wandeln und deren Äußeres von Wind und Wetter gezeichnet ist.
Widersprüche und Doppeldeutigkeiten werden den Weg durch die Exkursion markieren. Diese gilt es zu analysieren und manchmal auch auszuhalten. Anderes erscheint auf den ersten Blick vielleicht auch trivial oder eintönig, doch genaueres Hinsehen lohnt sich. Tauben sind ja auch nicht grau, sondern sehr fein und oft unterschiedlich gezeichnet. Ich freue mich darauf.