„Ist das jetzt Urlaub oder Beruf“, fragt mich Daria, die mir in Przemysl hilft, die Exkursion zu planen. Vermutlich irgendetwas dazwischen oder Berufung, wenn man eine Vorliebe für kleine, struppige Grenzstädte und polnische Regionalflughäfen hat und sich selbst Geograph nennen darf. Dass Kategorien und Ordnung in einer nicht postmodernen Art und Weise unwichtiger werden je weiter man nach Osten reist, ist eines der Stereotype, in denen viel Wahrheit steckt. Ein anders Klischee ist jenes vom ordnungsliebenden, strukturierten Deutschen. Ich selbst empfinde dies jedoch nicht als Konflikt, sondern für die eigene Arbeit sehr bereichernd und eine beinahe ideale Komplementarität.
Zurück in den äußersten Südosten Polens. 10km bis zum östlichen Rand der Europäischen Union. Przemysl, das ist „Polen C“, wie es Daria nennt. Trotz großartiger Architektur, 20°C und Sonnenschein wesentlich rauer als Kraków, Gdansk, Wroclaw und Co. mit ihren Kaffeehausketten, akuraten Parks und omnipräsenten Angeboten für Touristen. Dennoch überaus einladend und charmant. Dies bemerke ich nicht nur beim Besuch einer Glockengiesserei, am Rynek und in diversen Museen, sondern vor allem in zahlreichen flüchtigen Begegnungen mit Menschen, die sich sehr über das Interesse aus Deutschland an der Stadt freuen. Fernab der touristischen Hotspots warten bücherweise Kapitel darauf über die Region geschrieben zu werden. Sei es über die komplexe Historie der Stadt, aktuelle Entwicklungen im Schatten der EU-Außengrenze oder die nicht ganz einfache Situation der ukrainischen Minderheit.
Im neuen Intercity von Przemysl nach Lwiw beantworte ich bei der Grenzkontrolle die Frage nach „Beruf oder Urlaub“ dann allerdings doch lieber mit „turystyczne“. Das erspart Nachfragen in einem Wagon, der gefühlt das Sortiment eines gesamten IKEAs und mehrerer Biedronka-Supermärkte enthält.