Auf den Spuren der Sambaza

Eine Investigation von Lena Mannhardt

“God must have thought a little harder when he was creating them.”
(Unbekannt 2010 in The New Times)

Im Kivusee ist Limnothrissa miodon eine endemische Art. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der kleine, silbrige Fisch, ursprünglich im Tanganijka-See vorkommend, in den Kivu-See eingeführt. Damals mit der Intention die Lebensgrundlage der ärmeren Bevölkerung zu stärken (Snoeks et al. 2012: V). Während die gefischte Menge vor der Einführung der Limnothrissa miodon bei circa 1 500 t lag, stieg sie bis in die 80er Jahre auf circa 13 500 t. Hierfür waren neben der technischen Weiterentwicklung der Fischerei vor allem auch die reichen Vorkommen der Limnothrissa miodon verantwortlich (Descy et al.: 128). Seitdem ist Limnothrissa miodon zu einer ruandischen Delikatesse herangereift. Im Volksmund heißt der Fisch “Sambaza“ und veranlasst etwa diese Person zu folgender Aussage in der ruandischen Zeitung The New Times: “Three days without […] sambaza, I would start doubting my husband’s earning ability or his love for me.” (Unbekannt 2010 in The New Times) Obwohl womöglich nicht alle BewohnerInnen der Kivuregion in selber Intensität von dem Fisch schwärmen werden, scheint er dennoch unter den favorisierten Produkten der Region zu sein. Diese Leidenschaft macht den Fisch zur Grundlage des Lebensunterhaltes von Fischern sowie Händlerinnen und dient als essentielle Einkommensquelle lokaler Restaurants. Einige dieser Personen sind im Zuge dieser Spurensuche zu Wort gekommen.

Sambaza fangen

In Folge technischer Neuerungen und der reichhaltigen Bestände des Limnothrissa miodon entwickelte sich die Fischerei auf dem Kivusee in den 1970er Jahren insbesondere im uferfernen Freiwasserbereich bedeutend weiter (Descy et al.: 128). Die Verfügbarkeit des Fisches und seine Beliebtheit bei den Bewohnern der Kivuregion förderten wohl die Spezialisierung der Fischerei auf den kleinen Fisch.

Foto: Lukas Ebert

Ein Fischer nahe Kibuye berichtet über seinen Arbeitsalltag in dem Geschäft mit Sambaza. Er verfügt über eine 10-jährige Erfahrung in der Fischerei und arbeitet derzeit im Rahmen einer Kooperative auf dem Kivusee. Daher gäbe es trotz der zunehmenden Anzahl an Fischern keine Atmosphäre der Konkurrenz. In einer Gruppe arbeiten 14 Personen mit einer spezifischen Zielvorgabe zusammen. Aufgrund von Vorgaben der Regierung zur Regeneration der Fauna des Sees sind die Fischer in ihrer Tätigkeit auf bestimmte Perioden beschränkt und können der Fischerei folglich nicht das gesamte Jahr nachgehen. Zur Überbrückung wird Land- und Weidewirtschaft betrieben. Die Kooperative des Interviewten ist mit ihren engmaschigen Netzen auf Sambaza spezialisiert. Der Fisch wird nachts mittels einer Lichtquelle angelockt und gefangen. Das befischte Gebiet erstreckt sich über eine Länge von 400m. Ein mittlerer Fang liegt zwischen 8 bis 10 kg. Morgens werden die Fische direkt am Ufer des Kivusees für 2000 RWF pro kg weiterverkauft.

Sambaza handeln

Es ist Sonntagmorgen gegen 10 Uhr in Gisenyi. Auf den Straßen bewegt sich eine Fülle gut gekleideter Menschen auf ihrem Weg vom oder zum Gottesdienst. Auf dem zentralen Markt der Stadt, welcher sich neben einer alten Bauruine befindet, herrscht heute Morgen eine ungewöhnliche Ruhe. Viele der HändlerInnen sind noch nicht vor Ort oder noch mit dem Aufbau ihrer Stände beschäftigt, so dass sie ihrer potentiellen Kundin nicht annähernd die selbe Aufmerksamkeit zukommen lassen wie zur Mittagsstunde. Eine freistehende Insel aus Tischen ist das Ziel dieses Spaziergangs. Dort arbeiten überwiegend Frauen. Zu dieser Stunde sind sie wie ihre KollegInnen an anderen Ständen noch mit Vorbereitungen beschäftigt. Das heißt im Fall der frischen Sambaza: waschen, entgräten, wiegen. Alternativ wird Sambaza auch getrocknet angeboten.

Obwohl Ruanda im Jahr 2009 Englisch an Stelle von Französisch zur Amtssprache erklärte, spricht der Großteil der HändlerInnen neben den lokalen Sprachen im besten Fall nur Französisch. In einem holprigen Gespräch legt eine Händlerin ihre Gewinnmarge offen. Morgens nimmt sie dem Fischer den frisch gefangenen Fisch für 2500 RWF pro kg ab und verkauft diesen auf dem Markt für 3000 RWF pro kg weiter. Die Quantifizierung der verkauften Sambaza fallen der Händlerin allerdings schwer, zumal dies starken Schwankungen zu unterliegen scheint. Basierend auf den Angaben von Fischer und Händlerin lässt sich ein Preisunterschied von 500 RWF pro kg zwischen vom Fischer erstandenen Sambaza in der ländlichen Region nahe Kibuyie und in Gisenyi vermuten.

Sambaza essen

Wenige Tage später, gegen Nachmittag auf selbem Markt. „Madame!“, ruft die Händlerin und erzählt daraufhin von ihrem Leibgericht, Sambaza. Zusammen mit Öl, Zwiebel, Knoblauch, Tomate und Maggi wird der Fisch für 20 Minuten gekocht und so schließlich zu einer Soße verarbeitet. So bekommt man den Fisch schließlich auch in kleinen Restaurants, die vor allem die lokale Bevölkerung bedienen. Laut einer Mitarbeiterin sei Sambaza noch vor Fleisch und anderem Fisch wie etwa der Tilapia die bevorzugte Wahl vieler Kunden.

Weiter gen Süden am Ufer des Kivusees befindet sich das Restaurant Tam Tam Bikini, das auf Seiten wie lonelyplanet unter anderem für seinen Fisch gelobt wird. Dort trifft man ein weniger lokales Klientel an. Es gibt dennoch Sambaza. Der Kellner erzählt die lokale Bevölkerung gehe zum Sambaza-Essen in günstigere Lokale. Dagegen kämen Touristen und Expats in das Restaurant, um die Fischspezialität zu probieren. Nicht die Art und Weise der Zubereitung sei dafür verantwortlich, dass die lokale Bevölkerung andere Lokale bevorzuge, sondern die Ausrichtung des Lokals auf ein internationaleres Klientel.

 

Literatur

Descy, J.-P.; Darchambeau, F.; Schmid, M. (2012): Preface. In: Descy, J.-P.; Darchambeau, F.; Schmid, M. (Hrsg.): Lake Kivu. Limnology and biogeochemistry of a tropical great lake. Dordrecht, Heidelberg, New York, London: Springer, v – vi.

Snoeks, J.; Kaningini, B.; Masilya, P.; Nyina-wamwiza, L.; Guillard, J. (2012): Fishes in Lake Kivu: Diversity and Fisheries. In: Descy, J.-P.; Darchambeau, F.; Schmid, M. (Hrsg.): Lake Kivu. Limnology and biogeochemistry of a tropical great lake. Dordrecht, Heidelberg, New York, London: Springer, 127 – 152.

Unbekannt (2010): Sambaza: The Irresistible Delicacy. In: The New Times [online]. URL: https://www.newtimes.co.rw/section/read/94620 (Stand: 01.03.2020)