Mit den Standorten Frankfurt und Leipzig assoziiere ich immer sofort die dort ansässigen Buchmessen. Der westukrainische Ort Lviv tauchte dabei bisher noch nicht auf meiner Mental Map auf. Jedoch findet hier jährlich eine der größten osteuropäischen Buchmessen statt, welche eines der größten wiederkehrenden literarischen Festivals der Region symbolisiert. Dabei besuchen schätzungsweise jährlich ca. 50.000 Besucher diese Messe, auf der sich dieses Jahr über 750 Autoren und mehrere tausend Neupublikationen präsentierten. Die 26. Buchmesse in Lviv bietet damit eine Plattform, auf der eine lebhafter Diskurs über ukrainische Literatur und Publikationen angestoßen und dieser gleichzeitig über die nationalen Landesgrenzen hinaus etabliert werden kann.
Das Übersetzungsprojekt „Schwester, Leg deine Flügel an! Frauenstimmen aus der Ukraine“ kann als Paradebeispiel für die hiesige Buchmesse gewertet werden. Ziel und Motivation der HerausgeberInnen Alla Paslawska, Hildegrad Kainzbauer und Alois Woldan ist es „die deutschsprachige Leserschaft mit der ukrainischen Frauenliteratur vertraut zu machen“. Denn weibliche Autorinnen sind keineswegs eine Seltenheit, auch wenn sie in Ruhm und Bekanntheit gegenüber ihren männlichen Kollegen unterrepräsentiert sind. Die übersetzten Kurzgeschichten, Gedichte und Romanausschnitten sollen dabei eine erste Sammlung dieser weiblichen Literatur darstellen, welche jedoch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit beansprucht. Die Sammlung repräsentiert folglich einen Ausschnitt in dem „ukrainische Autorinnen – Dichterinnen und Schriftstellerinnen (…) über sich selbst, ihr Leben, ihre Gedanken, ihre Ängste, ihre Wünsche, und ihre Hoffnungen, über ihre zahlreichen realen und erfundenen Welten, in denen sie leben, schaffen und sich vor anderen Menschen verstecken“ schreiben. Der porträtierte Zeitraum ist von Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die gegenwärtige Zeit eingegrenzt und porträtiert damit nicht nur die Geschichte der Emanzipation, sondern auch der jüngeren Geschichte der Ukraine allgemein.
„Der Zustand einer Gesellschaft kann daran erkannt werden, wie diese mit der Rolle von Frauen umgeht und wie diese Frauen behandelt“, erklärte eine der Herausgeberinnen bei der Vorstellung des Projekts im festlichen Spiegelsaal der Ivan-Franko-Universität von Lviv. Das Übersetzungsprojekt trägt also dazu bei, ukrainischen Autorinnen eine Stimme zu verleihen, welche auch noch deutlich nach der Lviver Buchmesse 2019 zu hören sein wird und diesen hoffentlich Flügel verleiht.