04: Hafen, Tourismus und …?: Bordeaux und Umland als Wirtschaftsstandort

Die Region Nouvelle-Aquitaine wird unter anderem durch die wirtschaftliche Bedeutung von Bordeaux geprägt. Als eine der größten Städte in Frankreich hat die Stadt selbst etwa 260.000 Einwohner (Stand 2019). Die gesamte Metropolregion Bordeaux sogar etwa 814.000 Einwohner. Die Beschäftigungsdaten nach sozio-professionellen Kategorien weisen darauf hin, dass die meisten Menschen in mittleren Berufen (z.B. Lehrer, öffentlicher Dienst, Techniker und Vorarbeiter) arbeiten. Dies entspricht etwa 30% aller Berufstätigen. Angestellte (27,5%) bzw. Führungskräfte und höhere intellektuelle Berufe, wie zum Beispiel Ingenieure (24,1%) stellen die zweit- und dritt-größte Kategorie dar. Landwirte 0,1%, Handwerker 7% und Arbeitskräfte (z.B. Facharbeiter und ungelernte Industriearbeiter) 12,3% machen den Rest aus. Der Nettostundenlohn liegt im Schnitt 10€ unter dem von Paris. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass die Lebenshaltungskosten in der Hauptstadt deutlich höher sind (vgl. Insee 2022).

Besonders wichtig für Bordeaux und die gesamte Region ist die Luft- und Raumfahrtindustrie, welche dort zu einem Cluster verdichtet ist (Aerospace Valley global competitiveness cluster). „Ein Cluster ist ein regionales Unternehmensnetzwerk, welches auf einer räumlichen Agglomeration (Ansammlung) der dem Netzwerk angehörenden, hoch spezialisierten kleinen und mittleren Unternehmen basiert“ (Klett 2022). Dieses Cluster gilt als die Nummer 1 Region in Europa in der Luft- und Raumfahrt. Zu diesem Aerospace Valley, welches sich zwischen Bordeaux und Toulouse befindet, gehören etwa 800 verschiedene Unternehmen, Forschungseinrichtungen, spezielle Ausbildungsstätten und Universitäten (Université Toulouse 3, Université de Bordeaux, ENAC France, ISAE Supaéro). Beispielsweise hat das Unternehmen Dassault Aviation einen Sitz in Bordeaux, in dem Militärflugzeuge montiert werden. So hat die französische Regierung allein 180 Mehrzweckkampfflugzeuge des Typs Rafales bestellt, welcher allein von den Franzosen entwickelt wurde. Auch Staaten wie Ägypten, Katar und Indien haben zusammen weitere 96 Jets bestellt. Hierdurch ist geplant, dass allein diese vier Fabriken zum Zusammenbau der Jets ca. 3.000 neue Arbeitsplätze schaffen und dafür neue Gebäude am Flughafen Bordeaux errichtet werden müssen. Dieser Flughafen wird zudem für verschiedene militärische Zwecke genutzt wird (Bordeaux-Mérignac Air Base) (vgl. SkyNews 2021). Der Flughafen schafft, über verschiedene Branchen verteilt, insgesamt mehr als 7600 Jobs. 2021 hatte der Flughafen COVID-19 geschuldet ca. 3 Millionen Passagiere, 2019 noch ca. 7,6 Millionen (vgl. Bordeaux Airport 2022). Jedoch kommen nur etwa 18% aller Touristen in Bordeaux mit dem Flugzeug an. 27% nutzen den Zug, vor allen den TGV mit dem man in ca. 2 Stunden von Bordeaux nach Paris fahren kann. Ungefähr die Hälfte der Besucher nutzen noch das Auto. 2021 verzeichnete Bordeaux etwa 4 Millionen Besucher von denen etwa 80% Franzosen waren, von denen wiederum 1/5 aus der Region Nouvelle-Aquitaine stammten. Die restlichen Besucher kommen hauptsächlich aus Spanien, Großbritannien und Deutschland. Die Metropolregion Bordeaux verzeichnet rund 16,4 Millionen Übernachtungen. Die Mehrheit (59%) aller Besucher reist aus geschäftlichen Gründen nach Bordeaux (vgl. Agora Tourisme Bordeaux 2022, Bordeaux Tourisme 2022).

Wichtig für die Wirtschaft und damit auch für den Tourismus ist der Hafen von Bordeaux (Bordeaux Port Atlantique). Der Hafen ist der siebtgrößte französische Seehafen und ist auf sieben verschiedene Terminals verteilt. Da die Terminals entlang des Ästuars der Gironde liegen, ist teilweise eine Distanz von 100km zwischen ihnen. Jedes dieser Terminals kommt hierbei eine spezifische Aufgabe zu. Le Verdon -> Containerschiffe, Pauillac -> Airbus-Logistik, Blaye -> Getreide & Flüssiggüter, Ambes -> Petrochemische Erzeugnisse, Grattequina -> Schwerlasten, Bassens -> Schüttgut & Forst, Bordeaux -> Kreuzfahrtschiffe (vgl. Bordeaux Port 2022).

Abbildung 1: Bordeaux Port Atlantique (Quelle: Bordeaux Port 2022)

Jährlich werden hier insgesamt rund 6 Millionen Tonnen Waren bewegt. Zusammen bietet das sog. „Atlantische Tor nach Westen“ für 15.000 Menschen Arbeit (ebd.). Der Hafen in der Stadt selbst wird aufgrund der Krümmung des Flusses auch als „Port de la Lune“ (Hafen des Mondes) bezeichnet. Seit 2007 gehört das gesamte Hafengebiet mit den Kais und den alten historischen Gebäuden zum UNESCO Weltkulturerbe. Insgesamt umfasst dies in etwa 1800 Hektar und entspricht ca. 40% des gesamten Stadtgebiets. Über die letzten Jahrzehnte erfuhr der Hafen in Bordeaux einen kontinuierlichen Funktionswandel. Während im 18 Jh. jährlich etwa 3000 Schiffe im Port de la Lune verkehrten, erfüllt der Port de la Lune heute fast ausschließlich touristische Funktionen. Grund hierfür ist die ansteigende Anzahl von Schiffen und Gütern, die schlichtweg die Kapazitäten des Hafens in der Stadt überforderten und daher neue Hafenstandorte flussabwärts gegründet wurden. Seit der Reform vom 4. Juli 2008 wurden diese bis dahin autonomen Häfen zum heutigen Port Atlantique (vgl. Musée d’Aquitaine, UNESCO 2007).

Doch wie genau sehen diese touristischen Funktionen des Hafens aus und welche Auswirkungen haben diese auf Stadt?

Der Port de la Lune fungiert heute als touristisches Zentrum, mit vielen Restaurants, Bars und Geschäften entlang der Kais und der beeindruckenden Uferpromenade am Westufer der Gironde. Die Bars und Restaurants bieten einen guten Blick auf den Fluss und die andere Flussseite. Gleichzeitig hat die Uferpromenade auch einen hohen Freizeitwert. Viele Menschen nutzen sie zum Joggen, Skateboard-, Fahrrad- und Longboardfahren, Inlineskaten oder auch einfach zum Spazieren.

Abbildung 2: Uferpromenade in Bordeaux (Quelle: eigene Aufnahme)

Der Port de la Lune ist heute aber auch für die großen Kreuzfahrtschiffe bekannt die hier direkt in der Stadt anlegen und die Touristen damit in die Stadt bringt. Jährlich legen aktuell rund 50 Kreuzfahrtschiffe hier an. Das Ankommen bzw. Ablegen der riesigen Schiffe ist jedoch mit einem Aufwand für die Stadt und Bevölkerung verbunden. So wird beispielsweise die Brücke Pont Jacques Chaban-Delmas für mehr als eine Stunde gesperrt, da diese einen Teil hochfahren muss, damit die Kreuzfahrtschiffe hindurch können. Dadurch wird eine der wenigen Brücken, die mit dem Auto überfahren werden kann, mit spürbaren Auswirkungen auf den städtischen Verkehr für Autos und Fußgänger gesperrt. Das Ganze ist aber auch ein großes Spektakel für viele Touristen, die sich entlang des Ufers sammeln und beobachten, wie sich die Brücke anhebt und das Schiff hindurchfährt.

Abbildung 3: Pont Jacques Chaban-Delmas (Quelle: eigene Aufnahme)
Abbildung 4: Kreuzfahrtschiff in Bordeaux (Quelle: eigene Aufnahme)

Zusammengefasst kann man festhalten, dass Bordeaux bzw. das Umland ein spezialisiertes Zentrum für den Luft- und Raumfahrtsektor ist, eine gute Infrastruktur hat, eine hohe Lebensqualität bietet und so viele Unternehmen und hochqualifizierte Menschen anzieht. Der Hafen in der Stadt selbst erfüllt heute hauptsächlich touristische Funktionen, da die ursprünglichen Funktionen in spezialisierte Teilhäfen entlang des Ästuars verlagert wurden.

Quellen:

Agora Tourisme Bordeaux (2022): https://agora-tourism-bordeaux.com/key-figures/ (Stand: 06.10.2022).

Bordeaux Airport (2022): https://www.bordeaux.aeroport.fr/en/airport/company/key-figures (Stand 07.10.2022).

Bordeaux Port (2022): https://www.bordeaux-port.fr/en/port-bordeaux/key-figures (Stand: 06.10.2022).

Bordeaux Tourismus (2022): https://www.bordeaux-tourismus.de/die-stadt-und-ihr-kulturerbe/die-sehenswuerdigkeiten-von-bodeaux-und-seinem-kulturerbe (Stand: 06.10.2022).

Bordeaux Tourisme (2020): https://www.bordeaux-tourisme.com/sites/bordeaux_tourisme/files/parcours/pdf/2021-01/Pressemappe_Bordeaux_Tourism_2020_bd.pdf (Stand: 07.10.2022).

Insee (2022): https://www.insee.fr/fr/statistiques/2011101?geo=COM-33063 (Stand: 09.10.2022).

Klett (2022): https://www.klett.de/alias/1019109#:~:text=Ein%20Cluster%20ist%20ein%20regionales,kleinen%20und%20mittleren%20Unternehmen%20basiert (Stand: 11.10.2022).

Musée d’Aquitaine (Musée d’Aquitaine): Besucht am 17.09.2022.

Sky News (2021): https://skynews.ch/allgemein/groesster-exportauftrag-80-rafales-fuer-die-vae/ (Stand: 10.10.2022).

UNESCO (2007): https://whc.unesco.org/en/list/1256 (Stand 07.10.2022).

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