Dragoner-Areal

Von Michael Hartbauer und Marie Donata von Raison

„Stadt von Unten“

 Nach der Anreise der Masterstudierenden zu der Exkursion nach Berlin, welche schwerpunktmäßig um Neoliberalismus ging und sich mit Fragen rund um Deregulierung, Privatisierung und Finanzialisierung des Wohnungsmarktes beschäftigt, stand der erste Termin mit Enrico Schönberg an. Dieser ist ein Vertreter der Initiative „Stadt von Unten“, welche sich gegen eine Privatisierung des „Dragonerareals“ in Berlin-Kreuzberg einsetzt.

Abbildung 1: Studierendengruppe beim Expertengespräch zum Thema „Stadt von Unten“; Quelle: Eigene Aufnahme 2018

Bei diesem Areal handelt es sich um ein 4,7 Hektar großes Gelände innerhalb des Berliner S-Bahnrings. Auf einer Fläche von einem Hektar befindet sich denkmalgeschützte Substanz. Beim Bau den Verordnungen entsprechender mehrstöckiger Wohngebäude könnte Wohnfläche von rund 7,2 Hektar geschaffen werden. Es befindet sich am Mehringdamm in Berlin-Kreuzberg. Angrenzend vom Dragonerareal sind das Rathaus und das Finanzamt Kreuzberg, welcher allerdings nicht Teil des Geländes sind. Das Areal liegt nahe an dem Verlauf der ehemaligen Mauer, welche Ost-Berlin und West-Berlin trennte. Dies bedeutet, dass dieses Gebiet von peripherer Natur war, ehe es durch den Mauerfall ins Zentrum des wiedervereinigten Berlins rückte. Aufgrund dessen und aufgrund der allgemeinen Wohnungsknappheit in Berlin ist die Nachfrage für dieses Gebiet immens und besonders für Investoren interessant.

 

Geschichte des Dragonerareals

Wie auf der Homepage vom Immobilienverband Deutschland IVD Regionalverband Berlin-Brandenburg beschrieben, geht der Bau des Dragoner-Areals (Garde-Dragoner-Kaserne) im 19. Jahrhundert auf die Militärbeamten Wilhelm Drewitz und Ferdinand Fleischinger zurück und wurde zu militärischen Zwecken errichtet. Nach der Fertigstellung wurde die Kaserne zunächst als Infanteriekaserne genutzt, bis dann eine Reitbahn (1853) und Reitställe (1889) hinzukamen. 1919 – Einquartierung regierungstreuer Truppen aus Potsdam, die am 11. Januar das besetzte Gebäude des „Vorwärts“ in der Lindenstraße stürmten [Januaraufstand oder Spartakusaufstand]. Sieben Besetzer, die durch Verhandlungen eine friedliche Übergabe des Gebäudes erreichen wollten, wurden gefangen genommen und anschließend im Hof der Kaserne erschossen. Bei der Räumung des „Vorwärts“ machten die Truppen 295 Gefangene, brachten sie ebenfalls in die Kaserne und misshandelten sie schwer.

Als erstes ist das Mannschaftsgebäude entstanden, in dem mehr als 500 Soldaten unterkamen. Für die Unteroffiziere standen kleine separate Wohnungen mit Küche und Stube bereit. Ihre Pferde brachte man in den rückwärtigen Stallungen unter. Durch den Bau der Reitbahn und die Stallungen entstanden so drei Höfe; in diesen Höfen fanden unter anderem Reitübungen und das Exerzieren zu Fuß statt. Mit ihren Zinntürmen, dem Eingangsbereich und den paarweise angeordneten Rundbögen erinnert das Gebäude an eine Kastellburg aus dem Mittelalter. Ab 1921 kam es zu einer Umfunktionierung der Reitbahn, Nebengebäude und Ställe in einen Gewerbehof und zwei Jahre später wurde das ehemalige Kasernengebäude als das Finanzamt des Berliner Bezirkes Kreuzberg umfunktioniert.

 

Aktueller Stand und aktuelle Nutzung des Dragonerareals

Das ehemalige Kasernen-Areal wird heutzutage vielseitig genutzt. Es existieren auf dem Gelände zahlreiche Autowerkstätten, weshalb diese Nutzungart den Hauptschwerpunkt des Areals darstellt.

Abb.2: Marmorplatten auf dem Gelände; Quelle: Eigene Aufnahme 2018

Zu den Autowerkstätten zählen:

  • Sanli Autoservice Exclusiv
  • Autoklas KFZ – Meisterwerkstatt
  • Auto-Sun Kfz Werkstatt
  • Türc Car
  • S&K Kfz – Meisterbetrieb
  • Metropol Taxischule und Werkstatt
  • R. KfZ – Werkstatt

Außerdem befindet sich eine Taxizentrale, mehrere Diskotheken, unter anderem die Technodisko ‚Gretchen‘, eine Möbelpolsterei, mehrere Ateliers und diverses Handwerk und der LPG-Supermarkt in der ehemaligen Waschhalle von Transleg auf dem Gelände.

Auf dem Dragoner Areal wird der Marmor weiterverarbeitet.

Interessant ist auch, dass der Verkauf zweimal gescheitert ist. Der letzte gescheiterte Verkauf war der Verkauf für schlappe 36 Mio. Euro an einen Wiener Investor. Auf Druck von Initiativen wie Stadt von Unten, wurde vom Land Berlin die Zusammenarbeit mit dem Investor abgelehnt. Im Finanzausschuss des Bundesrat konnte der Verkauf des Dragonerareal zum Höchstpreis letztendlich verhindert werden.

Der Senat erklärte das Areal für einen Zeitraum von 10 Jahren zum ‚Sanierungsgebiet Rathausblock‘. Damit einhergehend gibt es die bezirkliche Auflage, dass von den neuen Wohnungen auf dem Gelände mindestens 50 % (von etwa 500) als Sozialwohnungen deklariert werden. Die Initiativen im Rathausblock fordern hingegen 100% wirklich bezahlbare Mieten für Gewerbe und Wohnen.

Abb. 3: Autowerkstatt im Areal; Quelle: Eigene Aufnahme, 2018

Abb. 4: Gebäude im Areal; Quelle: Eigene Aufnahme, 2018

 

Die Initiative „Stadt von unten“

Die Initiative „Stadt von Unten“ spricht sich gegen eine Privatisierung des Dragonerareals aus und setzt sich stattdessen für bezahlbare Wohnungen und Räume für Kulturschaffende und Gewerbetreibende ein. Nach dem der Verkauf des Areals an den Wiener Investor für 36 Millionen Euro verhindert wurde, soll das Dragonerareal zu einem „Modell für eine Stadtentwicklung werden, die steigenden Mieten und der Verdrängung aus unseren Nachbarschaften entgegenwirkt“ (Flyer „Modellprojekt für eine Stadt von Unten“). „Stadt von Unten“ existiert seit 2014. Die Forderungen können unter folgenden Schlagworten zusammengefasst werden:

  • 100% zur Miete
  • 100% Teilhabe
  • 100% wirklich soziale Mieten
  • 100% dauerhaft abgesichert

Mit Hilfe des Modellprojektes „Selbstverwaltet und Kommunal“ soll nach dem Etappensieg gegen den österreichischen Investor ein Gebiet entstehen, in welchem Platz für 400-600 Sozialwohnungen zu finden sind. Weiterhin soll es Platz für Kleingewerbe und Ateliers für Kunst- und Kulturschaffende, sowie gemeinschaftliche öffentliche Räume bieten. Enrico Schönberg bezeichnete das Projekt im Expertengespräch als „Propaganda“, welches Einfluss auf den politischen Diskurs nehmen soll, allerdings auch eine reale Umsetzung der Planungen möglich machen soll, sodass bestehende Gewerbe „weiterleben“ können und zusätzlich bezahlbarer Wohnraum in zentraler Lage geschaffen werden kann. In Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit erläuterte Enrico Schönberg, dass man versucht „da reinzugehen, wo eine Reibung bereits vorhanden ist“ um somit Aufmerksamkeit zu erregen. Er bezeichnet „Stadt von Unten“ als eine junge Gruppe, die zusammenwächst und zwischenzeitliche Erfolge benötigt um die Motivation aufrecht zu erhalten. Als ein Ziel für die kommende Entwicklung auf „Stadt von Unten“ nennt er zudem eine klare Abgrenzung und Positionierung gegen die stärker werdende politische „Rechte“. Der Kern der Initiative „Stadt von Unten“ umfasst ca. 15 Personen, wobei dies aufgrund von gemeinsamen Arbeitsgruppen und Projekten mit anderen Initiativen nicht isoliert betrachtet werden kann. Hier steigt die Anzahl der engagierten Bürger*Innen um ein Vielfaches.

 

Andere Initiativen

Neben „Stadt von Unten“ setzen sich eine Reihe von anderen Initiativen für eine zukünftige „soziale“ Nutzung des Dragonerareals ein. In Kooperation werden gemeinsame Aktionen, Veranstaltungen und Arbeitsgruppen organisiert. Im Expertengespräch wurden 12 Initiativen genannt. Darunter zählen beispielsweise „Kotti & Co“, „Die Gewerbetreibenden“, das „Kreativhaus Kreuzberg“, das „Kiezbündnis am Kreuzberg“ oder Wohninitiativen. Auch ein gemeinsames Projekt in Zusammenarbeit mit der TU Berlin wurde bereits umgesetzt. In diesem Zusammenhang ist auch Nachbarschaftsinitiative „Dragopolis“ zu nennen, welche bereits zusammen mit „Stadt von Unten“ zahlreiche Sachen organisiert haben. Weiterhin hat „Stadt von Unten“ gemeinsam mit dem Stadtteilladen Friedel 54 eine Demonstration unter dem Motto „Wem gehört die Stadt – Gegen hohe Mieten und Zwangsräumungen“ organisiert, welche in den bundesweiten und dezentralen Aktionstag der Kampagne „Mietwahnsinn stoppen“ eingebettet war

 

Fazit

Ein wichtiger Punkt ist auf jeden Fall, dass die Initiative „Stadt von Unten“ eine sinnvolle und auch notwendige Gegenbewegung zur Entwicklung des größten Investorenprojektes „Media-Spree“ darstellt, um einen möglichst bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dieser bezahlbare Wohnraum steht dem Media-Spree- Projekt gegenüber. Das Media-Spree-Projekt ist mit Medien- und Kommunikationsansiedlung, neuen Lofts, Hotels und Luxuswohnungen geplant und auch teilweise schon realisiert.

 

Zusätzlich verwendete Quellen

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