Gisenyi/Goma Tag 06

Vormittags machten wir uns auf den Weg zum Gishwati Wald, der etwa eine dreiviertel Stunde von Gisenyi entfernt liegt. Als der Genozid 1994 beendet wurde und die Täter vor den Befreiern der RPF in den Kongo flüchteten, flüchteten im Gegenzug kongolesische Tutsi nach Ruanda, um den nun im Kongo mordenden Milizen zu entkommen. Ein Teil dieser Flüchtlinge aus dem Kongo wurden von der Regierung in der Gegend des Gishwati Walds angesiedelt und rodeten den Wald, um die Fläche für Landwirtschaft und Viehhaltung zu nutzen. Bereits nach 5 Jahren war ein Großteil der Waldfläche verschwunden. Ein weiteres Problem der intensiven Nutzung der hügeligen Gegend ist, dass die Böden Regenwasser nicht mehr so gut aufnehmen können und es dadurch mehr oder weniger ungehindert in die Täler fließt. Daher beschloss die Regierung einige Dörfer zwangsumzusiedeln und die zuvor bewohnten Hänge zu bewalden und unter Schutz zu setzen. Mit einem von Umsiedlung Betroffenen besuchten wir einen solchen Hang. Noch 2014 war dieser bewohnt und es gab keinen Wald dort, heute ist praktisch alles zugewachsen und unter Naturschutz gestellt.

Gespräch mit einem ehemaligen Bewohner. Foto: Lukas Ebert

Im Gespräch mit dem Betroffenen erfuhren wir mehr über die Probleme und Folgen einer solchen Umsiedlung. So wurde den Bewohnern erst 3 Monate vor der Umsiedlung mitgeteilt, dass sie ihre Heimat verlassen müssen. Zwar bekamen sie von der Regierung in einem Teil von Gisenyi an der Grenze zur D.R. Kongo Häuser gestellt, jedoch waren diese für viele Familien zu klein und sie hatten nur sehr wenig Land zum Bewirtschaften. Während die Menschen in ihrer ursprünglichen Gegend genug Land hatten, um sich zu versorgen und es generell wenig Probleme gab, gibt es in der neuen Siedlung nur wenig Arbeit und Chancen für die Menschen. Trotzdem traute sich der Betroffene nicht die Regierung dafür direkt zu kritisieren, ein Phänomen, das einem in praktisch jedem Gespräch in Rwanda begegnet.

Weideflächen in der Region. Foto: Lukas Ebert

Weiter oben auf der anderen Seite des Tals kamen wir in ein Dorf, in dem kongolesische Flüchtlinge angesiedelt wurden. Die Menschen dort betreiben vor allem Viehzucht, für die die Regierung riesige Weideflächen unter den Bewohnern aufgeteilt hat. Gleichzeitig hat die Regierung vorgegeben, dass pro Hektar maximal 2 Kühe gehalten werden, um die negativen Folgen der Überweidung zu vermeiden. Ebenfalls auf Betreiben der Regierung sind die Viehhirten in Kooperativen organisiert, die den Verkauf der Milch regeln und bessere Preise garantieren sollen. Dies alles erfuhren wir bei einem Gespräch mit dem Sekretär einer Kooperative, der selbst aus dem Kongo nach Ruanda geflüchtet war. Er sagte uns auch, dass es den Menschen durch die Sicherheit und den Frieden in Ruanda viel besser als im Kongo gehe und er sich nicht vorstellen könne jemals in seine Heimat zurückzukehren.

Im Gespräch mit dem Vertreter der Milch-Kooperative. Foto: Lukas Ebert

Wanderung zum Dorf im Tal. Foto: Lukas Ebert

Am frühen Abend trafen wir uns in einem Hotel mit René Abandi, dem ehemaligen Sprecher, Verhandlungsführer und quasi Außenminister der mittlerweile inaktiven ostkongolesischen Rebellenbewegungen CNDP und M23. Er war Hauptverantwortlicher der Rebellen bei Friedensverhandlungen mit der kongolesischen Regierung und verschiedenen internationalen Akteuren. Er zählte sich zum politischen Arm der Bewegung, der laut seiner Aussage nicht viel mit dem militärischen Arm zu tun hatte. Der Grund für sein Engagement war seiner Aussage nach, sein Traum das autoritäre Kabila-Regime zu stürzen und einen vereinten, versöhnten und harmonischen Kongo zu schaffen. Vorwürfen gegen die CNDP und M23, Vergewaltigungen und Plünderungen von Rohstoffen begangen zu haben, wich er aus. Er verneinte die Vorwürfe zwar nicht direkt, versuchte aber sie zu entkräften, indem er zum einen den westlichen Medien wie BBC und France 24 vorwarf die Wahrheit zu verzerren oder zu lügen und zum anderen betonte, dass ihre Gegner von der kongolesischen Regierung noch deutlich schlimmer waren. Auch immer wieder geäußerte Vorwürfe, die M23 wäre nur eine Marionette Ruandas Interessen im Kongo gewesen, wies er zurück. Zwar verstecken sich seit 3 Jahren noch einige Kämpfer in den Bergen in der Gegend von Goma und auch einige Führungspersönlichkeiten der M23 sind noch in Verhandlungen mit der kongolesischen Regierung, Abandi selbst distanziert sich aber mittlerweile von der Bewegung. Das allerdings nicht aus möglichen Verbrechen, die begangen wurden. Auch zum ursprünglichen Ziel der Rebellen steht er weiterhin. Seine Distanz begründete er mit nicht näher genannten Veränderungen auf politischer Ebene. Es war zwar spannend eine solche Person zu treffen, doch hatten die meisten von uns mehr Erhellendes gewünscht, da Abandi auf viele Fragen nur indirekt einging oder ausweichend antwortete.