Start-ups

Am Freitag Abend erarbeiteten wir in fünf Kleingruppen das Thema „Neue Arbeit und ihre Orte“. Jede Gruppe untersuchte dabei ein anderes Areal.

Wo? Wrangelkiez in Kreuzberg

Wann? Freitag, 18.05.2018, 18.00 bis 20.00 Uhr

Wer? Ihar Buika, Julia Feulner, Donata von Raison

Was? Gruppenarbeit zum Thema “Neue Arbeit und ihre Orte”

Unser Forschungsgebiet war der Wrangelkiez. Dieser befindet sich im Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain und erstreckt sich südlich der Spree und des Schlesischen Tores. Hauptachsen sind die Schlesischee Straße und die Wrangelstraße. Unser Forschungsschwerpunkt lag im Bereich zwischen der Schlesischen Straße und der Spree mit dem Fokus auf Start-ups, insbesondere Deliveroo, sowie auf der Cuvry-Brache.

Zu Beginn der Gruppenarbeit standen einige Fragen im Raum:

„Wie genau gehen wir jetzt eigentlich vor?“           

„Worauf kann unser Fokus liegen?“

 „Wie finden wir Start-ups?“

„Und was genau sind Start-ups eigentlich?“

„Welche Leute können uns Informtionen liefern?“

„Wie gehen wir auf mögliche Interviewpartner zu?“          

„Wie verteilen wir die Aufgaben innerhalb der Gruppe?“

„Wie kann unsere Route durch den Kiez aussehen?“

 Die Cuvry-Brache

Wir entschieden uns zunächst, die Schlesische Straße entlang zu laufen und auf dem Weg nach Start-ups Ausschau zu halten. Dabei stießen wir erst einmal auf die Cuvry-Brache. Dort war leider nicht sehr viel zu sehen, denn die Brachfläche war durch einen Holzzaun abgegrenzt. Durch ein paar wenige, dünne Spalten im Zaun konnte man eine Baustelle erahnen. Der Bautafel (siehe Foto 1) konnten  wir entnehmen, dass dort Büro- und Gewerbeflächen im Rahmen des „Cuvry-Campus“ entstehen sollen. Wer aber genau dort einziehen wird, wurde uns nicht ersichtlich.

Foto 1. Die Bautafel auf der Cuvry-Brache. (I.Buika)
Die bewegte Geschichte der Cuvry-Brache:

·        Zweiter Weltkrieg: Standort für Bunker und Lagerhallen

·        Anfang 1990er Jahre: Existenz unterschiedlicher Pläne für die provisorisch genutzte Fläche

o   Nutzungsideen für die Cuvry-Brache: Industriestandort, Technologiezentrum oder Warenhaus mit Loftwohnungen

·        Ende 1990er Jahre: Scheitern der Pläne und Wechseln des Eigentümers

o   Nutzungsplan des neuen Besitzers: „Spreespeicher“ (Gebäude im Kontorstil mit Büroflächen und Hotel)

·        2011: Scheitern der Pläne und erneutes Wechseln des Eigentümers

o   Neuer Nutzungsplan: „Cuvryhöfe“ (Wohnanlage, Kita, Supermarkt)

o   Problem: Ärger um den Bau von Sozialwohnungen und damit erneuter Kurswechsel hin zum alten Plan der „Spreespeicher“

·        Seitdem: anhaltende Proteste um das Areal und nach wie vor fehlende Bebauung

o   Besetzung des Areal und Bau eines Hüttendorfes (Bezeichnung als „Erste Favela Deutschlands)

o   Nutzung durch Künstler (z.B. Cuvry-Graffiti)

·        2014: Räumung des Geländes und anschließende Einzäunung

·        2018: Umsetzung alter Nutzungspläne

o   Baubeginn des „Cuvrycampus“ mit Industriecharme mit Technologie Start-Ups als bevorzugtes Klientel

Quelle: Valentin Domann (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung/ HU Berlin), Nils Grube (TU Berlin)

 Die „Höfe am Osthafen“

Abb.1. Höfe am Osthafen. Quelle:  htps://www.klinkersanierung.de/referenzen/oeffentliche-auftraggeber/

Schließlich machten wir uns weiter auf die Suche nach Start-ups. Je nach Branche des Start-ups, so nahmen wir an, sind diese sowohl in modernen, schicken Bürogebäuden, aber auch in historischen Anlagen oder vielleicht sogar versteckt in einem Keller ansässig. Trotzdem waren wir nach wie vor ziemlich unsicher, wo und wie genau wir denn schließlich Start-ups finden können – bis wir auf die „Höfe am Osthafen“ stießen. Bei den „Höfen am Osthafen“ handelt es sich um einen rießigen Bürokomplex in historischem Gebäudebestand (siehe Abb. 1). Dieser besteht aus mehreren aneinander angegliederten Innenhöfen, von wo aus die Eingänge zu den Bürogebäuden abgehen. In der Einfahrt jedes Hofes steht dabei eine Tafel, die die dort niedergelassenen Unternehmen zeigt (siehe Foto Nr. 2). Also standen wir vor einem potenziellen Standort von Start-ups, doch es ergaben sich gleich neue Probleme: Woher wissen wir, welches Unternehmen ein Start-up ist? Und: sind Freitag Abend überhaupt noch MitarbeiterInnen, mit denen wir sprechen können, anwesend?

Foto 2. Infotafel in einem der Höfe am Osthafen. (I.Buika)

Wir begannen die wenigen PassantenInnen, die am Freitag Abend in den „Höfen am Osthafen“ unterwegs waren, zu befragen. Doch niemand konnte uns wirklich Auskunft darüber geben, ob es hier im Gebäudekomplex Start-ups gibt und wenn ja, dann wie sie heißen oder wo genau sie ansässig sind. Der einzige Hinweis auf ein potenzielles Start-up verlief auch schnell im Sande. „Das Unternehmen „Native Instruments“ könnte ein Start-up sein“, teilte uns eine Frau vor dem Eingang C mit. Da um die späte Uhrzeit am Freitag Abend jedoch kein(e) MitarbeiterInnen mehr vorzufinden war, konnten wir dieser Spur nicht weiter    nachgehen.

Um schließlich einen tatsächlichen Erfolg verzeichnen zu können, suchten wir nun direkt das Büro von Deliveroo auf. Die Adresse dieses Start-Ups war leicht zu finden. Bevor wir jedoch die Büroflächen von Deliveroo aufsuchten, führten wir ein kurzes, aber informatieves Gespräch mit einem Mitarbeiter eines dort ansässigen Outdoorladens.

  • Informationen des Mitarbeiters des Outdoorladens:

Das Unternehmen basiere auf einer großen Gruppe von Stammkunden, die sich auf das gesamte Stadgebiet Berlins verteilen. Durch die entstehende Start-Up-Landschaft seien sie als alteingesessenes Unternehmen wenig betroffen und auch das Klientel habe sich dadurch nicht verändert. Dennoch könne in den letzten fünf bis sechs Jahren ein Trend hin zu einer wachsenden Gastronomieszene beobachtet werden. Dabei handele es sich vor allem um florierende „Suppenläden“, die durch das Angebot eines Mittagstisches von der zunehmenden Anzahl an im Kiez ansässigen Unternehmen profitieren.

Deliveroo

Foto 3. Das Berliner Büro von Deliveroo. (I.Buika)

Nach diesem Gespräch gingen wir direkt zum Gebäude, wo sich der Berliner Hauptsitz von Deliveroo befindet. Drinnen im Büro hatten wir die Möglichkeit, ein kurzes, aber dennoch aufschlussreiches Gespräch mit einem Mitarbeiter von Deliveroo zu führen. Da der Mitarbeiter leider wenig Zeit hatte, schlug er uns zunächst vor, einen Interviewtermin zu vereinbaren. Außerdem merkte er an, dass er auch gar nicht weiß, welche Informationen er uns überhaupt weitergeben darf. Also verschafften wir uns noch einen schnellen Überblick über dir Räumlichkeit und verabschiedeten uns. Die Büroflächen von Deliveroo machten auf uns den Eindruck einer sehr offen gestalteten Struktur, es waren keine abgetrennten, einzelnen Büros zu erkennen, sondern nur ein einziges großes Büro, in dem alle Mitarbeiter gemeinsam sitzen. Daran angeschlossen war außerdem eine offene Küchenzeile. Allein die Angestellten im Kundenservice arbeiteten zusammen in einem separaten Büro.

Hintergrundinformationen zu Deliveroo:

·        Unternehmenskonzept: Lieferservice, Logistik

o   Abholung bei Restaurant und Lieferung an Kunden

o   Finanzierung:

  • pro Auftrag 30% an Deliveroo
  • Bezahlung der Lieferanten pro Auftrag (kein gesichtertes Einkommen der Lieferanten)
  • Großteil der Mitarbeiter ist nicht direkt bei Deliveroo angestellt

·        Gründung: London 2013, Standort Berlin seit 2015

·        Kritik an Deliveroo:

o   Verantwortung der (rechtzeitigen) Lieferung bei Lieferanten

o   Notwendigkeit privater Ausrüstung und eigenständige Reparatur (z.B. Fahrräder, Handys) ohne Kostenübernahme durch das Unternehmen

o   Sammlung der Daten (z.B. über das private Handy) von Lieferanten

o   Bedingter Schutz der Privatsphäre der Lieferanten (z.B. Ausgabe der Namen des Lieferanten über die Deliveroo App)

·        Proteste der Lieferanten gegen schlechte Arbeitsbedingungen:

o   Gründung der gewerkschaftlich organisierten DeliverUnion

Quelle: Valentin Domann (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung/ HU Berlin), Nils Grube (TU Berlin)

Factory

Unser Weg durch das Untersuchungsgebiet führte uns entlang der Wrangelstraße, welche parallel zur Schlesischen Straße verläuft. Auffällig war dabei besonders die Dominanz der Wohnnutzung, ein deutlich geringeres gastronomisches Angebot und weniger Passanten im Vergleich zur Schlesischen Straße.

Foto 4. Vor dem Factory-Office (I. Buika)

Durch ein zufälliges Gespräch mit einer Passantin vor einem Supermarkt erhielten wir den Hinweis auf die Factory. Die Factory sei ein Ort, an dem viele Start-ups ansässig seien, weshalb wir kurzerhand beschlossen, der Factory einen Besuch abzustatten. Sie befindet sich zwar nicht mehr in unserem Untersuchungsgebiet, deckt scheinbar aber genau unseren Forschungsschwerpunkt ab.

Dort angekommen trafen wir auf den Rezeptionisten der Factory. Dieser durfte uns zwar nicht in die eigentlichen Räumlichkeiten lassen, da dort nur Mitglieder Zugang haben, war aber durchaus bereit für ein kleines Interview.

  • Informationen des Rezeptionisten der Factory:

Die Factory ist selbst ein Start-Up, das als Business Club Arbeitsraum für wiederum andere Start-Ups und Freelancer aus der IT-Branche bietet. Aktuell existieren zwei Standorte der Factory in Berlin. Zusammen belaufen sich die Mitgliedszahlen des Standorts im Bezirk Mitte (seit 2015) und des Standorts in Kreuzberg (seit 2016) auf über 2.000 Mitglieder. Mitglied werden sei ganz einfach, man müsse sich einfach nur bewerben. Der Mitgliedsbeitrag beläuft sich auf 50 Euro im Monat. In Kreuzberg können die Mitglieder auf über 14.000 m² die Arbeitsplätze und zusätzliche Angebote wie beispielsweise eine Bibliothek nutzen. Dabei stehe das Miteinander im Fokus. Es gibt keine fest zugeordneten Arbeitsplätze, und durch verschiedene Events und die Tischtennisplatten und den Kicker soll die Gemeinschaft und der Austausch zusätzlich gefördert werden. Das Klientel der Factory sei international und bunt gemischt und kann während der Öffnungszeiten (Montag bis Freitag, 08.00 bis 21.00 Uhr) frei kommen und gehen wie es beliebt.

Und tatsächlich herrschte während unseres Besuches Freitag Abend ein reges Treiben in der Factory. Die Atmosphäre war alles in allem sehr angenehm, es roch nach frischem Holz, mit dem der Eingangsbereich gestaltet war und es gab ein große Gefäß mit Gummibärchen an der Rezeption.

An dieser Stelle muss man dennoch anmerken, dass die scheinbar glitzernde Erfolgsgeschichte von Factory auch durchaus umstrittene Kapitel beinhaltet. Dem Tagesspiegel zufolge hat man nach dem Kauf des Gebäudes im Jahr 2016 die langjährigen Mietverträge von etwa 150 hier ansässigen  Künstlern gekündigt. Man sollte deswegen auch mit Protesten im Vorfeld der Eröffnung rechnen, so der Tagesspiegel („Berlins neue Start-up-Fabrik“ vom 09.09.2017). Der Rezeptionist vor Ort erwähnte im Gespäch mit uns kurz diesen Aspekt, in dem er Factory mit gewisser Ironie als “fremden Körper im Kiez“ bezeichnete.

Fazit

Die beiden besuchten Gebäudekomplexe (Höfe am Osthafen und Standort von Deliveroo), die als potenzielle Standorte von Start-ups in Frage kommen, weisen eine historische Bausubstanz in relativ gutem Zustand auf. So stellte sich uns anschließend die Frage, welche Start-ups sich dort die Miete leisten können. Denn wir nahmen an, dass die Miete aufgrund des Gebäudezustands, vor allem aber auch wegen der Gegend und der Lage nicht besonders billig sein konnte. Allerdings existiert in den Gebäudekomplexen jedoch noch relativ viel Leerstand. Die Frage nach der Existenz von Start-Ups in den Arealen zwischen Schlesischer Straße und Spree bleibt also überwiegend unbeantwortet. Nichtdestotrotz haben wir unsere Mini-Untersuchung insbesondere in Bezug auf das Verhalten im Forschungsfels als sehr interessant und fruchtbar wahrgenommen.

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