Goma zeichnet sich durch seine duale Identität aus. Die Stadt ist Grenzland und Frontzone zugleich und war in der Vergangenheit ebenfalls eine „non-state space“.
Begründet liegt diese Tatsache in der weitreichenden politischen Autonomie der Stadt, sowie in der häufigen Abwesenheit des kongolesischen Staates, beispielweise bei der Bereitstellung urbaner Dienstleistungen. Bei der Beschäftigung mit Grenzen wurde das koloniale Vorgehen in der Vergangenheit oft kritisch betrachtet. Neuere Ansätze tendieren hingegen dazu, die geschaffenen Grenzen zum einen als gesellschaftliche Konstrukte, zum anderen als Überlebensstrategie bzw. Lebensmittelpunkt zu betrachten.
„Grenzen sind als sowohl geographische Konstrukte mit unterschiedlichen Bedeutungen, als auch Objekte der Aneignung durch die Menschen, die mit ihnen leben, und damit bedeutende Ressourcen, die von der Bevölkerung intensiv genutzt werden“ (DOEVENSPECK & MWANABINIGO NENE 2010: 20).
Beide „Wesenszüge“ Gomas lassen die Stadt zu einer Transitzone des ständigen Austausches von Macht, Personen und Waren werden. Während Grenzländer auf in der Vergangenheit festgesetzten, meist kolonialen Grenzziehungen beruhen, sind Frontzonen, je nach politischer Lage, einer ständigen Veränderung ausgesetzt. Das Dasein als Frontzone beeinflusst ebenfalls den Prozess der städtischen Identitätsbildung, wobei vielfältige soziale Identitäten auftreten. Durch seine geographische Lage werden Goma und die Gomeén (Bezeichnung für die Einwohner Gomas) auch von der ruandischen Grenzstadt Gisenyi und ihren Einwohnern geprägt. Seit dem Krieg sind Goma und sein ruandisches Gegenstück praktisch miteinander verbunden. Zwischen den beiden Städten besteht seit ihrer Existenz, vor allem im informellen Bereich, eine starke Interdependenz. Sie sind durch ihre Geschichte und durch ihre sozioökonomische Realität miteinander verbunden. Die Grenze zwischen Ruanda und DRC ist Trennlinie zwischen zwei unterschiedlichen politischen Systemen. Hier stehen sich die Entwicklungsdiktatur und der fragile Staat gegenüber. Diese Gegensätzlichkeit zeigt sich auch in den Grenzstädten Goma und Gisenyi. So ist erstere durch ihre Lebendigkeit, ihr rudimentäres Verwaltungssystem, eine hohe Kriminalitätsrate und gravierende Mangel im Dienstleistungs- und Infrastrukturbereich gekennzeichnet, während letztere eher ruhig ist und sich durch Tourismus und Landwirtschaft auszeichnet. Eine Gemeinsamkeit beider Städte bildet die Zunahme der Einwohnerzahl durch Zuwanderung und Flüchtlingsströme. Trotz ihrer Andersartigkeit koexistieren die beiden Grenzstädte nebeneinander und sie wachsen immer weiter zusammen. Manchmal genügt es sogar ein Gartentor zu passieren und man befindet sich in einem anderen Land, ja gar in einer anderen urbanen Identität. Die offiziellen Grenzposten Grande und Petite Barrière werden täglich von mehreren hundert Menschen passiert, wobei die Preise für den Grenzübertritt variieren. Grand Barrière, auch genannt Corniche befindet sich am Ufer des Kivusees und ist vorwiegend für die Grenzabfertigung von LKWs und Privatfahrzeugen zuständig. Außerdem wird er vom humanitären Hilfspersonal als Grenzübertrittspunkt frequentiert genutzt. Petite Barrière hingegen ist ausschließlich für den Fußgängerübertritt bestimmt.
BÜSCHER, K.; VLASSENROOT, K. (2009) The City as frontier: Urban Development and Identity Processes in Goma. Working Paper No. 61, Crisis States Research Paper Series. London: Crisis States Research Centre.
DOEVENSPECK, M.; MWANABININGO, N. M. (2010): Entwicklungen am Rand.
Grenzen und regionale Integration im Bereich der zentralafrikanischen Großen Seen. In:
Geographische Rundschau 62/10, 2010, 20-28.
Fotos: Cyrus Samimi © 2016