Ökonomisch betrachtet hat sich die aktuelle wirtschaftliche Lage für Winzer in ganz Deutschland verändert. Wie auch in vielen anderen Wirtschaftszweigen spielen die politischen Lagen eine entscheidende Rolle. Die Covid-19 Pandemie und der Ukrainekrieg führen zu Preissteigerungen und Konsumminderung. Für Winzer bedeutet dies, dass sie mehr Geld investieren müssen, um die Inflation zu bewältigen. Besonders die Flaschenabfüllung und der Einsatz technischer Geräte in den Weinbergen sind teurer geworden, denn der Preis für Glas und Energie ist gestiegen. Aber auch Spritzmittel und Sprit kosten mehr. Da aber auf der anderen Seite der Weinkonsum in der Gesellschaft rückläufig ist, der Wert liegt bei ungefähr minus 10 Prozent, kommt es zu Umsatzeinbüßen. Die steigenden Kosten und der sinkende Konsum können nicht durch Preissteigerungen des Weins ausgeglichen werden. Die aktuelle Lage betrifft aber überwiegend Großbetriebe. Kleinere Winzer, wie in Zeil am Main, stagnieren zwar im Wachstum, sind jedoch nicht ganz so rückläufig wie eben Großbetriebe. Genauere Zahlenwerte sind hierfür jedoch nicht bekannt. Aufgrund der Inflation und die daraus resultierenden Folgen wie erhöhter Kostenaufwand, mussten Winzer bereits Weinberge aufgeben (Interview Bauernschmitt; Interview Nüßlein).
Die staatlichen Möglichkeiten für finanzielle Unterstützungen sind begrenzt verfügbar. Seit 2020 gibt es eine Frost- und Hagelversicherung, die jedoch relativ teuer ist. Lediglich die Hälfte wird vom Freistaat Bayern übernommen. Inwiefern sich diese lohnt, ist unklar. Des Weiteren existieren mittlerweile Fördermittel für die Umstellung vom konventionellen Weinanbau zum Bioweinanbau. Da jedoch die meisten Winzer in der Region den biologischen zertifizierten Weinanbau aus wirtschaftlichen Gründen ablehnen, sind die Zuschüsse irrelevant. Eine Abneigung bezüglich Biowein ist vorhanden, da konventionelle Spritzmittel ertragsreicher sind und eine Umstellung dafür sorgt, dass alle Rebsorten erneuert werden müssten. Zusätzlich existieren auch im konventionellen Weinanbau Maßnahmen zur ökologischeren Gestaltung der Weinberge (Interview Zimmermann; Interview Nüßlein).
Die aktuelle Lage ist für Winzer nicht die Beste. Vermutungen zu Folge sind in der Region Zeil am Main die Weingärtner der Meinung, dass durch die ökonomische Situation immer weniger Menschen bereit sind, einen neuen Weinberg zu gründen. Dadurch wird langfristig gesehen eine Veränderung im Hinblick auf brachliegende Weinberge stattfinden. Inwieweit diese stattfindet, ist jedoch aktuell nicht vorhersehbar, da sich die Situation für Winzer auch wieder ins Positive verändern kann (Interview Nüßlein).
Neben den ökonomischen Faktoren sind auch die sozialen Umstände von Bedeutung. Das zunehmende Desinteresse junger Menschen Winzer zu werden, kann für die Zukunft entscheidend sein. Hinzukommt Arbeiter zu finden, welche bereit sind bei den Bedingungen vor Ort zu arbeiten. Die zunehmende Hitze durch klimatische Veränderungen, sorgt in den Weinbergen für schlechtere Arbeitsbedingungen. Für Steilhänge und handbetriebene Terrassen, wie in Zeil am Main, benötigt es deutlich mehr Arbeitsstunden als zum Beispiel in rheinländischen Großbetrieben. Ein Vergleich in Stunden: Für Steilhänge werden pro Hektar circa 500 Stunden Arbeit benötigt. Für Terrassen sind es sogar 1200-1500 Stunden, jedoch Handarbeit. In Großbetrieben sind es nur 100-150 Stunden pro Hektar. Somit ist in der Region um Zeil am Main mehr Arbeitsaufwand notwendig, was bedeutet, dass mehr Arbeiter benötigt werden. Ausreichend helfende Personen zu finden ist zunehmend schwieriger. Oftmals werden ausländische Arbeitskräfte für die Weinlese eingesetzt, welche zunehmend das Interesse an dieser Arbeit verlieren und sich Alternativen suchen (Interview Nüßlein).
Abschließend werden die ökologischen Faktoren betrachtet. Hier sind vor allem die klimatischen Veränderungen zu nennen. Der zunehmende Klimawandel wird in den Weinbergen deutlich. Die steigenden Temperaturen sorgen für zunehmende Hitze. Dies führt zu Sonnenbrand an den Trauben, was sie vertrocknen lässt. Neben den Temperaturanstieg sorgen Trockenheit, zunehmende Starkregenereignisse und auch vermehrte Spätfrostereignisse zu Ernteausfällen (Interview Bauernschmitt; Interview Nüßlein; Interview Zimmermann).
Die Nutzung und der Anbau verändern sich in den Weinbergen im Laufe der Zeit. Besonders einschlaggebend im Nutzungswandel ist die Flurbereinigung in dem Gebiet. Sie ist die letzte Bereinigung in Franken und startete in den 1970er Jahren. Die letzte Bereinigung war 1989 in Ziegelanger. Die Aktion wurde großangelegt und finanziell unterstützt, damit der Weinanbau in der Region bestehen bleibt. Durch die Flurbereinigung verschwindet das fischgrätenartige Muster in den Weinbergen und die Flächen werden umverteilt. Eine Genehmigung folgte somit schnell. Das obere Drittel wurde nicht verändert, wohingegen die zwei unteren Drittel bereinigt wurden (Abb. 21). Die nun brachliegende Fläche ging an den Naturschutz über. Seitdem hat sich die Fläche des Naturschutzes nicht verändert. Mit der Flurbereinigung kam 1975 die maschinelle Nutzung in den Weinbergen vor Ort (Interview Zimmermann).
Die brachliegenden Weinberge, welche dem Naturschutz gehören, werden von diesem gepflegt. Hier sind unter anderem traditionelle Trockenmauer vorhanden, welche saniert worden sind.
Auf den Flächen werden Streuobstwiesen angelegt. Der Naturschutz kümmert sich um diese Gebiete, indem die Wiesen mehrmals im Jahr gemäht werden und sich um das Streuobst gekümmert wird. Durch das Mähen wird eine Verbuschung verhindert, was das Artenreichtum steigert (Interview Naturschutz).
Während unserer ersten Ortsbegehung entdeckten wir einen brachliegenden Weinberg, welcher langsam verbuscht (siehe Abbildung 14). Dieser wurde vor circa zehn Jahren an eine Person verkauft, die aus privaten Gründen für das Grundstück nicht mehr aufkommen kann.
Normalerweise müssen die Rebstöcke entfernt werden, wenn ein Weinberg aufgegeben wird. Dieses Stück ist somit eine Ausnahme und eigentlich verboten (Interview Bauernschmitt).
Aktuell zeigt sich ein Trend zu Querterrassen in Franken. In Zeil am Main gibt es eine maschinell betriebene Querterrasse. Warum es bisher nur eine moderne Querterrasse gibt, liegt unter anderem an der ökonomischen Situation, welche am Anfang des Kapitels beschrieben wird. Zusätzlich sind hier der hohe Kostenaufwand und das Risiko, dass die neu eingepflanzten Stecklinge den klimatischen Bedingungen nicht gewachsen sind, zu nennen. Für eine Querterrasse wird außerdem eine gewisse Fläche an angrenzenden Weinbergen benötigt, was durch die Flurbereinigung möglich ist. Bei einem Umbau verliert ein Winzer jedoch 30 Prozent an Rebstöcken, was mit Umsatzeinbüßen einhergeht (Interview Nüßlein).
Alle Winzer teilten uns in den Interviews mit, in ihren Weinbergen den Klimawandel und die damit einhergehenden Folgen zu spüren. Welche Anpassungsstrategien gibt es für Winzer? Versicherungen sind oftmals schlichtweg zu teuer. Neue Technologien sind noch nicht auf dem Markt, um die Pflanzen zu schützen. Es gab in der Vergangenheit durchaus Versuche, um gegen Spätfrost anzukämpfen, welche sich jedoch nicht durchgesetzt haben. Es gab beispielsweise einen historischen Weinbergsofen, der nur bei einer reinen Invasionslage eingesetzt werden kann. Durch das Räuchern soll eine Art Wolkendecke geschaffen werden. Diese Methode verhindert lediglich ein bis zwei Prozent des Frostschadens und wurde oftmals für das Gewissen verwendet (Interview Nüßlein).
Was jedoch eine Möglichkeit ist als Anpassungen an den Klimawandel, sind neue Züchtungen an Rebsorten zu verwenden, welche klimaresilienter sind. Hierfür bieten sich beispielweise südeuropäische Weinsorten an, welche im Süden Europas bereits über mehrere Jahrhunderte angepflanzt werden (Interview Bauernschmitt; Interview Zimmermann).
Eine Anpassungsstrategie an die klimatischen Veränderungen sind Querterrassen. Durch das Anlegen dieser kommt es zu weniger Erosion bei Starkregenereignissen, da sie durch ihr stufenartiges Anlegen weniger starkes Gefälle aufweisen als Steilhänge. Die Bodenschichten werden stabilisiert. Das Abfließen von Wasser wird durch Querterrassen verlangsamt, was die Bodenerosion reduziert. Da durch den Klimawandel Extremwettereignisse zu nehmen können, ist das Umstrukturieren von Weinbergen eine gute Möglichkeit gegen klimatische Veränderungen vorzugehen. Neben der Reduzierung der Bodenerosion wird ein günstigeres Mikroklima für die Reben geschaffen. Durch die natürliche Umverteilung der Sonnenstrahlen durch Rebstöcke, besteht ein geringeres Risiko, dass die Trauben an Sonnenbrand leiden. Der Schatten wird hierbei von den Rebstöcken an die darunterliegenden Reben getragen (Interview Naturschutz; Interview Nüßlein).
Der Wasserhaushalt wird zusätzlich durch Querterrassen gestärkt. Das Wasser kann besser gespeichert und verteilt werden, was dazu führt, dass auf lange Sicht in solchen Weinbergen nicht gewässert werden muss. Lediglich in der Anfangszeit sollte auf eine ausreichende Wasserzufuhr durch künstliche Bewässerung geachtet werden. Durch die steigende Temperatur sind Querterrassen besonders in Trockenperioden vorteilhaft (Interview Nüßlein).
Die Terrassenböschungen werden begrünt, was sich positiv auf die Biodiversität auswirkt. Sie sind ein Lebensraum für diverse Tier- und Pflanzenarten, wie beispielsweise die weiße Heideschnecke Xerolenta obvia (Interview Naturschutz).
Durch das Anlegen von Querterrassen kommt es auch zu einer Arbeitserleichterung, da es keine steilen Hänge gibt, sondern das Arbeiten auf einer Ebene stattfinden kann, wie auch in Abbildung 18 zu sehen ist. Eine einfachere und sicherere Bewirtschaftung wird somit ermöglicht. Auch wenn bestimmte Voraussetzungen für das Anlegen von Querterrassen benötigt werden und die bürokratischen Schritte aufwendig sein können, lohnen sich insgesamt Querterrassen. Deren klimatischen Vorteile können langfristig erfolgreicher sein als Steilhänge. Jedoch ist das Ganze kostspielig und es bedarf einer stabilen wirtschaftlichen Lage, da am Anfang im Umbauungsjahr kein Ertrag erwirtschaftet wird. Zudem werden große zusammenhängende Flächen benötigt (Interview Nüßlein).