Die kulturellen Verflechtungen zwischen Tschechien und Deutschland konnten eindrucksvoll in einer Einrichtung näher betrachtet werden, die einem wahrscheinlich nicht im ersten Moment in dieser Thematik in den Sinn kommt. Radio Praha ist das Auslandsradio des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und sendet neben Tschechisch in fünf weiteren Sprachen. Dazu gehört neben Russisch, Spanisch, Englisch und Französisch auch Deutsch.
Radioaufzeichnung hautnah erleben
Die deutsche Abteilung des Senders Radio Prag steht unter der Leitung des Chefredakteurs Till Janzer, der den Exkursionsteilnehmern einen umfassenden und interessanten Einblick in die Geschichte und in das Handeln des Radiosenders gab. Zudem wurde ermöglicht, die Aufzeichnung einer deutschsprachigen Sendung im Technikraum hautnah mitzuerleben. Dabei erhielten die Studierenden einen Einblick in die Komplexität und Faszination des Radios.
Von Kurzwelle zum
Podcast
Aufgrund von Einsparmaßnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde 2011 das Senden auf Kurzwelle eingestellt und seitdem nur noch im Internet gesendet. Außerdem kam es im Zuge dieser Maßnahmen auch zur Abkehr von Live-Sendungen. Die Umstellung auf online verfügbare Audio-Stream und Podcasts gelang dem Sender mit Erfolg und mittlerweile gewinnt auch der Internetauftritt als Nachrichtenportal immer mehr an Bedeutung.
Politik und Radio
Die Zugehörigkeit Radio Prahas zum tschechischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk birgt auch Konfliktpotential. Besonders bei politischen Berichterstattungen werden die Themenfelder teilweise eingeschränkt, wobei betont wird, dass selten die politischen Empfehlungen nicht mit den eigenen Vorstellungen der Programmauswahl übereinstimmen. Die journalistische Objektivität ist demnach gewährleistet. Neben den politischen Geschehnissen und den tagesaktuellen Nachrichten Tschechiens werden vor allem die tschechisch-deutschen und tschechisch-österreichischen Beziehungen in den Berichterstattungen von Radio Prag näher beleuchtet. Die erfolgreichsten Sendungen bietet aber das Themenfeld Geschichte. Weiter beliebt sind Berichte über Tschechien als Reiseland. Besonderes Interesse bei den Hörern wecken auch Beiträge über die „kulturelle Instanz“ Tschechiens: das tschechische Bier. Musik nimmt dagegen eine untergeordnete Rolle im Programm ein.
Der lange Weg zur Selbstgestaltung
Der Auslandrundfunk Radio Praha wurde bei seinem Sendebeginn 1936 als Gegenmaßnahme zu Hitlers Propaganda vom Tschechoslowakischen Rundfunk eingeführt und etablierte sich als einer der wichtigsten internationalen Rundfunksender. Die Ziele und Vorstellungen änderten sich aber dahingehend mit dem Ende des 2. Weltkrieges. Der zu den ältesten Rundfunkanstalten der Welt gehörenden Staatssender betrieb unter der Macht der Kommunisten mit seinem Auslandsprogramm selbst Propaganda. Ziele hierbei waren die Verbreitung der Ideologie der Staatsführung und eine dementsprechende Außendarstellung. Erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 erhielt Radio Praha die Bewilligung, das Programm selbst zu gestalten.
Aufgrund der geschichtlichen Verflechtungen zwischen Tschechien und Deutschland sind die Zuhörer von Radio Prag zum Großteil ehemalige Vertriebene, aber auch jüngeres Publikum nutzt mittlerweile vermehrt das Programm und Angebot des Senders.
Autor: Jakob Jetschni