03: Reich durch Ausbeutung? Das koloniale Bordeaux und was heute noch davon übrig ist

Die Hafenstadt Bordeaux wird meist mit qualitativ hochwertigem Wein in Verbindung gebracht. Vor knapp 300 Jahren stand eine andere Art von Gütern im Mittelpunkt. Es waren Kolonialwaren, denn damals prägte der Handel mit Sklaven die Stadt. Bordeaux war eine der weltgrößten Häfen für den Handel mit Kolonialwaren. Durch diese Geschäfte wurden viele Familien sehr reich und das Stadtbild wandelte sich enorm. Wie der Handel mit Kolonialgütern und versklavten Menschen ablief, wird in diesem Bericht erklärt. Zudem wird darauf eingegangen, in welcher Art und Weise der Sklavenhandel mit dem Wein in Verbindung gebracht werden kann (vgl. Skog und Sölvell, 2019, S.67).

Geschichte der kolonialen Handelsstadt Bordeaux

Vor 1716 war der Handel mit Sklav*innen noch vollständig durch eine staatliche Monopolstellung reguliert. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Handel frei und die ersten Städte Frankreichs, darunter Bordeaux, Nantes, Rouen und LaRochelle waren darin involviert. Der Handel mit versklavten Menschen und Kolonialgütern erwies sich als sehr profitabel und lockte viele Kaufmänner samt ihren Familien aus Irland, England, Niederlanden und Spanien nach Bordeaux. Sesshaft wurden diese meist in den Vierteln St. Pierre und Chartrons (vgl. ebd., S.73).

Seit 1743 galt der Hafen Bordeaux als einer der wichtigsten Kolonialhafen ganz Frankreichs. Insgesamt legten dort pro Jahr 3000 Schiffe an. Diese transportierten lokale Güter, wie Wein, zu den französischen Kolonien in der Karibik. Dort wurden sie gegen Kolonialgüter eingetauscht. Dazu zählten Tabak, Kaffee und Zucker. Dank solcher Geschäfte verbesserte sich die wirtschaftliche Situation der Stadt (vgl. Aline, 2019).  Der Handel konzentrierte sich vor allem auf die karibische Insel St. Dominique, dem heutigen Haiti. Im 18. Jahrhundert galt Bordeaux als zweitwichtigster Hafen Frankreichs, der Sklavenhandel betrieb. Der Spitzenreiter war der Hafen von Nantes (vgl. Skog und Sölvell, 2019, S.74).

Die wohl bekannteste Art des Überseehandels fand in triangulärer Form statt. Erst wurden Waren nach Afrika geschickt, wo sie dann gegen Sklav*innen eingetauscht wurden. Anschließend verschiffte man diese in die karibischen Kolonien. Dort fand ein weiterer Tausch statt. Dabei tauschte man die Versklavten gegen Güter, wie Tabak, Zucker und Kaffee, ein, die wiederum von Sklav*innen auf den Plantagen produziert wurden (vgl. ebd., S.78). Beim Transport der Menschen aus Afrika in die Karibik herrschten grausame Zustände an Bord. So dauerten die Reisen meist monatelang. Es geschahen Vergewaltigungen und Demütigungen von Frauen und Kindern. Das Essen verdarb bei der enormen Hitze. Ferner verschlimmerte dies die sehr schlechten hygienischen Zustände. Krankheiten und Seuchen breiteten sich dementsprechend aus. Nur zwei Drittel der versklavten Menschen überlebten die Überfahrt (vgl. Informationstafeln des musée d’Aquitaine).

In Frankreich wurde die Sklaverei gesetzlich ab 1777 verboten – auf den Kolonien hingegen erst ab 1848. Der Handel mit den Kolonialwaren lässt sich hinsichtlich der Organisation und Planung auf eine Ebene mit dem Weinhandel stellen. Der Preis der Güter, sowie die Qualität, waren ausschlaggebende Eigenschaften (vgl. Skog und Sölvell, 2019, S.78).

So existierten bereits grobe Kriterien hinsichtlich der Qualität und Verderblichkeit dieser Güter. Diese ließen sich problemlos auf den Weinhandel übertragen. Da ein Teil der Bevölkerung von Bordeaux über ein beachtliches Vermögen durch den Überseehandel aufbauen konnte, standen finanzielle Mittel für die Intensivierung des Weinbaus zur Verfügung. Demnach wurden viele Felder gekauft, um Weinreben anzubauen. Dadurch konnte das Genussmittel in großem Maße hergestellt werden. Der Weinhandel entwickelte sich sehr schnell. Die fertigen Produkte unterteilte man nach Qualitätsklassen, welche durch Klassifizierungsdokumente bestätigt wurden. Ähnlich geschah dies früher mit den versklavten Menschen. Es etablierte sich der Wein als neues Wirtschaftsgut und löste die Sklav*innen und die von diesen produzierten Kolonialwaren ab (ebd., 2019, S.85).

Die Sichtbarkeit der kolonialen Vergangenheit Bordeaux‘ heute

Bemerken Einwohner*innen und Tourist*innen beim aufmerksamen Spaziergang durch die Stadt Bordeaux noch anhaltende Merkmale des kolonialen Überseehandels?

Die Vergangenheit der Stadt, geprägt vom Kolonialhandel, löst bei vielen Menschen gemischte Gefühle aus. Es bildeten sich unter anderem Gruppen, dessen Ziel es ist, die Bevölkerung an die grausame Zeit des Sklavenhandels zu erinnern. Die Gruppen erhoffen sich in der Stadt viele Monumente und Gedenktafeln, welche die damalige Zeit repräsentieren sollen. Sind diese Andenken vorzufinden? Am Place de la bourse, wo früher viele Handelsleute zusammenkamen, befindet sich ein großer Gebäudekomplex, dessen Fassade mit vielen kleinen Monumenten gestaltet ist. Diese zeigen zum Beispiel Gesichter von Schwarzen, welche an die Kolonialzeit und die Versklavung erinnern sollen (vgl. Skog und Sölvell, 2019, S.80).

Entlang der französischen Flüsse Garonne und Loire fanden Demonstrationen statt. Aktivist*innen machten hierbei auf die vergangene Sklaverei aufmerksam. Erfolgreich wurden im Zuge dessen mehrere Denkmäler in Bordeaux errichtet. Eines davon ist die Statue von Toussaint-Louverture, die jene Person abbildet, welche die Kolonien damals in Saint-Domingue befreite. Das Monument wurde im Jahre 2005 aufgestellt und befindet sich am Ostufer der Garonne (siehe untere Abbildung).

Abbildung 1 Statue, Quelle: Eigene Aufnahme

Beim Spaziergang durch Bordeaux fällt auf, dass nur sehr wenige Denkmäler über die Vergangenheit des Sklavenhandels existieren. Einzelne lassen sich außerhalb des Zentrums finden. Die Statue von Toussaint-Louverture zum Beispiel liegt an der Garonne, am anderen Ufer des Stadtkerns.  Die meisten Denkanstöße und Informationen über den Sklavenhandel sind im Museum ‚musée d’Aquitaine‘ zu sehen. Dort wird eine eigene Ausstellung zur Kolonialzeit angeboten. Dessen Hauptaugenmerk liegt auf der Entstehung des Wohlstandes von Bordeaux, welcher dem Überseehandel zu verdanken war. Ferner finden sich dort viele Informationstafeln und Modelle vor, unter anderem von den damaligen Sklavenschiffen (siehe untere Abbildung) (vgl. Valognes, 2013, S.151).

Abbildung 2 Museum, Quelle: eigene Aufnahme

Die Hafenstadt Nantes weist eine ähnliche Vergangenheit auf. Wie ist die Situation solcher Denkmäler in dieser Stadt? 2012 wurde ein Denkmal errichtet, welches an die Abschaffung der Sklaverei erinnern soll. Es ist eine schräge Wand aus Glas. Zu finden ist sie an einem historisch wichtigen Ort – am Quai de la Fosse. Dort legten damals die Sklavenschiffe an (vgl. Simons, 2012). Zudem findet jährlich ein Gedenkmarsch statt. Viele Aktivist*innen laufen dabei durch die Innenstadt und möchten auf die vergangene Sklaverei aufmerksam machen. In Bordeaux wird dies auch unternommen, jedoch in viel kleinerem Ausmaße (vgl. Valognes, 2013, S. 170).

Fazit

Bordeaux war in schreckliche Geschehnisse der Vergangenheit involviert. Der Handel mit Kolonialgütern erwies sich jedoch als sehr lukrativ und so wurden viele Menschen in der Stadt sehr schnell reich, was wiederum Kaufleute aus anderen Ländern anzog. Als der Sklavenhandel verboten wurde, entdeckte man, dass der Handel mit Wein ähnlich von der Organisation her ablief. So konzentrierte man sich auf den Anbau und Vertrieb dieses Qualitätsgutes. Bordeaux ist bis heute berühmt für seine exklusiven Weine. Da die Vergangenheit mit dem Sklavenhandel nicht vergessen werden soll, existieren Gedenkstätten in der Stadt. Jedoch sind es nicht viele. Das Museum „musée d’Aquitaine“ bietet eine Ausstellung, welche an die Vergangenheit erinnert und wodurch man viele Eindrücke von dem Sklavenhandel erhält. Im Zentrum der Stadt sind kaum Monumente vorhanden. Im Raum wirken diese leicht verloren, da es sich nur um eine geringe Anzahl handelt. Dieser Aspekt stört die Aktivist*innen, auf welchen sie bei einem jährlichen Protestmarsch aufmerksam machen.

 

Quellen

 

Aline, C. (2019). Bordeaux und der Sklavenhandel: Die dunkle Vergangenheit der Handelsstadt. https://www.youthreporter.eu/de/beitrag/bordeaux-und-der-sklavenhandel-die-dunkle-vergangenheit-der-handelsstadt.15219/#.Ysalki-230p (aufgerufen am 05.07.2022)

Simons, S. (2019). Die späte Reue der Sklavenhandel-Metropole. Spiegel Wirtschaft

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/sklavenhandel-nantes-baut-mahnmal-fuer-abschaffung-der-sklaverei-a-828112.html (aufgerufen am 23.11.2022)

Skog, A. & Sölvell, O. (2019). The dark side of agglomeration, sustained wealth and transposition of trading institutions—the case of Bordeaux in the 18th and 19th centuries. Journal of Economic Geography

Valognes, S. (2013). Slave-Trade Memory Politics in Nantes and Bordeaux: Urban Fabric Between Screen and Critical Landscape. Journal of African Diaspora Archaeology and Heritage

Informationstafeln des Musuems musée d’Aquitaine in Bordeaux

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