Prager Stadtgeschichte

Die tschechische Hauptstadt Prag blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück. Bereits vor Entstehung der heutigen Stadt Prag gehörte das Prager Umland zu den am dichtesten besiedelten Gebieten Böhmens. Im Laufe der Jahrhunderte versuchten viele Parteien, die Herrschaft über Prag zu erlangen, so dass die Stadt für lange Perioden unter Fremdherrschaft stand. Das hatte eine Vielzahl von Konflikten zur Folge, führte aber auch dazu, dass Prag als besonders weltoffen gilt und viele Kulturen vereint. Besonders interessant ist die Beziehung zwischen Prag und der Region Böhmen zu Deutschland bzw. Bayern. Heute ist die Stadt an der Moldau, die gleichzeitig die Stellung einer tschechischen Region einnimmt, eine der reichsten Regionen Europas und belegt mit mehr als 1,2 Millionen Einwohnern den vierzehnten Rang der größten Städte innerhalb der Europäischen Union.

Schon vor der Gründung der heutigen Stadt Prag wurde das Prager Umland wegen seiner fruchtbaren Böden geschätzt. Bereits im sechsten Jahrhundert nach Christus existierten hier Siedlungen der Slawen. Um das Jahr 880 begann der Bau der Prager Burg durch das tschechische Herrschaftsgeschlecht der Premysliden. Dieser Zeitpunkt gilt als Geburtsstunde des heutigen Prags.

Blick auf die Prager Burg

Die Burg existiert, wenn auch durch eine Reihe nachfolgender Bauarbeiten weiter entwickelt, noch heute und bildet das größte geschlossene Burgareal der Welt. Im neunten Jahrhundert erfolgte auch die schrittweise Christianisierung Böhmens. Bereits früh ließen sich deutsche und jüdische Kaufleute in der Stadt nieder, die bald als wirtschaftliches Zentrum der Region galt. Im Jahr 1085 nach Christus wird mit Vratislav II der erste böhmische König gekrönt, der jedoch dem römischen Reich und dem deutschen König unterstellt ist. Im zwölften Jahrhundert erfolgt die Konstruktion der ersten steinernen Brücke über die Moldau. Im darauffolgenden Jahrhundert entsteht die Prager Altstadt und eine weitere Unterstadt, die „Malá Strana“, die mit norddeutschen Kolonialisten besiedelt wird. Das vierzehnte Jahrhundert gilt als Blütezeit für die aufstrebende Stadt Prag. Unter der Herrschaft Karls des IV. und seines Sohnes Wenzels des IV. wird Prag zu einer der wohlhabendsten und bedeutendsten Städte Europas. In diese Zeit fällt der Bau der Karlsuniversität, der Karlsbrücke und der großen Neustadt Prags. Die Karlsuniversität war die erste deutschsprachige Universität dieser Zeit und die erste Universität Mitteleuropas. Sie existierte bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein und konnte bereits zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts die eindrucksvolle Zahl von über 10.000 eingeschriebenen Studenten vorweisen. Die Karlsuniversität wurde dabei sowohl von tschechischen als auch von deutschen Studenten besucht, wobei letztere lange Zeit den Großteil der Studierenden stellten.

Blick auf die Karlsbrücke

Während Karl der IV. um das Jahr 1355 zum Kaiser des heiligen römischen Reiches gekrönt wurde und Prag damit zur Hauptstadt des Reiches aufstieg, hatte die aufgeblühte Stadt alsbald mit Rückschlägen zu kämpfen. Das goldene Zeitalter fand durch religiöse Auseinandersetzungen, die sogenannten Hussiten-Kriege, ein Ende. Prag, insbesondere die Prager Burg, wurde im Zuge dieser Konflikte größtenteils zerstört. In den folgenden Jahrhunderten durchlief Prag sowohl mehrere Blütephasen, als auch Krisen. Insbesondere der dreißigjährige Krieg, ausgelöst durch den zweiten Prager Fenstersturz, stürzte die Region und ganz Europa in eine tiefe Krise. Prag geriet unter Fremdherrschaft und wurde etwa von den Schweden und den Habsburgern kontrolliert, was zu einer Phase des Niedergangs des tschechischen Nationalbewusstseins führte. Erst als im neunzehnten Jahrhundert vermehrt tschechische Bevölkerungsteile aus dem Prager Umland in die Stadt kamen, erlebte der tschechische Nationalismus einen Aufschwung. Durch das Erstarken des tschechischen Bevölkerungsanteils kam es zunehmend zu ethnischen Spannungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Auch die Zahl der jüdischen Personen in der Stadt nahm im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts stetig zu. Architektonischen Ausdruck fand das zunehmende tschechische Nationalbewusstsein in dem Bau eines Prager Nationaltheaters und der Errichtung eines Nationalmuseums.

Im zwanzigsten Jahrhundert sind vier Zeitpunkte von besonderer Bedeutung für die Stadt Prag: 1918, 1938, 1948 und 1968. 1918 erlangt Prag, bis dahin Teil des österreich-ungarischen Vielvölkerstaats, die Unabhängigkeit und wird zur Hauptstadt einer unabhängigen Tschechoslowakei. Zwanzig Jahre später wird Prag von Nazideutschland besetzt und der junge Staat zerschlagen. Zehn Jahre darauf übernimmt die kommunistische Partei die Kontrolle über die 1945 von der Roten Armee befreite Stadt. Es folgt eine Zeit massiver Unterdrückung. Im Jahr 1968 wird ein friedlicher Umsturzversuch, bekannt als Prager Frühling, von den Mächten des Warschauer Pakts niedergeschlagen.

Erst im Jahr 1989 findet die kommunistische Herrschaft ein Ende, die Tschechoslowakei wird demokratisch und der erste demokratische Präsident wird gewählt. Wenig später spaltet sich die Tschechoslowakei in zwei unabhängige Staaten auf: Tschechien und die Slowakei. Aus deutscher Perspektive ist besonders interessant, dass Prag eine zentrale Rolle für den Fall der Berliner Mauer und die darauf folgende deutsche Wiedervereinigung spielte: Ab 1989 wurde die deutsche Botschaft in Prag zum Zufluchtsort für mehrere Tausend DDR-Flüchtlinge, denen schließlich die Ausreise in den Westen erlaubt wurde.

Im ausgehenden zwanzigsten und dem einundzwanzigsten Jahrhundert erlebte Tschechien und die Hauptstadt Prag eine schrittweise Annäherung an den Westen und Deutschland. Mit dem Beitritt zur NATO, dem Beitritt zur Europäischen Union und dem Schengener Abkommen, ist die tschechische Republik heute vollständig im vereinten Europa angekommen.

Autor: Niklas Fierlbeck, 17.03.2018

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