Am zweiten Tag der Exkursion besuchten wir in Cotonou den Fischereihafen. Am Tag zuvor hatten wir bereits einen Termin am Frachthafen der Stadt, wodurch diese beiden im Kontrast standen. Dies wurde verstärkt durch die Gegebenheit, dass der Fischereihafen samt angrenzendem Markt zum Zweck des Ausbaus des Hafens Cotonnous abgerissen und an einen anderen Ort verlegt werden soll. Nachdem der neoliberale Grundgedanke hinter Präsident Talons Wirtschaftspolitik am vorherigen Tag anhand von Beispielen wie dem Versuch einer Formalisierung der Arbeitsplatzstruktur und dem Ziel Benin für ausländische Direktinvestitionen attraktiv zu machen, in unserer Gruppe aber auch mit den Mitarbeitern am Hafen diskutiert wurde, wirkte die kommende Verlegung des Marktes und Fischereihafens wie ein Symbol der Richtung, in die Talon das Land entwickeln möchte.
Das Gefühl, dass im Land ein wirtschaftlicher Umbruch stattfinden soll, unter dem potentiell genau die Fischer die Leidtragenden sein könnten, die wir gerade beim Arbeiten beobachten, drängte sich also auf. Zudem war es immer noch eine neue Situation, in der Gruppe unterwegs zu sein, aus unserem auffallenden Reisebus als umso mehr auffallende Gruppe mehrheitlich weißer Menschen auszusteigen und als unangekündigte Beobachtende in diesen Raum, den wir nicht kannten, dem aber für die Menschen die dort arbeiten, und oder leben, diverse Bedeutungsebenen aber auch Handlungsweisen innewohnen, einzudringen, stellte glaube ich für einige von uns eine Herausforderung da. Welche Reaktion unser Erscheinen an dem Ort haben wird, ob die Arbeitenden die fremde Gruppe, die sie potentiell als Touristen, Studenten oder gar Business-People deuten, als störend empfinden, es sogar etwas degradierendes haben könnte, bei der Arbeit von offensichtlich europäischen Reisenden beobachtet zu werden oder ob wir auf Interesse und potentiell sogar Gastfreundschaft stoßen werden, war beim Ankommen an der Mauer zum Hafen, bei der wir uns zunächst sammelten, äußerst unklar.
Direkt wird deutlich, dass in unserer Gruppe dem alten Hafen und dem Markt als Ort des sozialen Lebens mit einer spezifischen, räumlichen Geschichte viel Wert zugeschrieben wird, die Modernisierungspolitik und der Gedanke, dass dieser Raum, an dem Beziehungen gelebt werden, und der von jedem Arbeiter und Bewohner mit Erinnerungen und Emotionen verknüpft wird, dem Hafenausbau weichen muss, ist der Konflikt, durch den zumindest mein Blick auf den vor uns liegenden Ort beeinflusst war.
Vor uns baute eine Gruppe von Arbeitenden ein Schiffswrack mit einfachen Werkzeugen auseinander. Dahinter im Hafen war nicht besonders viel los. Ein Paar Fischer saßen oder standen alleine oder in Gruppen bei ihren Schiffen, manche arbeiteten. Kein Schiff stach in See und auch am Horizont waren keine Fischerboote zu sehen. Im anliegenden, teils überdachten Markt wurden hauptsächlich Fisch, Obst und Gemüse angeboten. Die Frage, was wir jetzt genau nach dem kurzen Input von Prof. Doevenspeck machen werden, ist schnell beantwortet worden, als parallel zwei Gespräche mit Mitgliedern der am Boot vor uns arbeitenden Gruppe begannen. Beide kamen zu uns hoch, zur Mauer, begrüßten uns und fragten, warum wir hier sind.
Die Fischer sprachen uns direkt auf Englisch an was uns als Gruppe die Möglichkeit gab ohne Übersetzung direkt mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Beide Gespräche Entwickelten sich unabhängig von einander in immer wieder neue Richtungen, Ich werde versuchen zentrale Themen die diskutiert wurden hier wiederzugeben, dies aber sicherlich nicht in genau der chronologischen Reihenfolge in der Sie besprochen wurden. Außerdem kann Ich nur mein Verständnis von den Aussagen der am Gespräch beteiligten auf Basis meiner Erinnerung zusammenfassen da kein Ausführliches Protokoll zu dieser Spontanen Interaktion erstellt wurde. Daher möchte Ich festhallten das die hier angeführte Zusammenfassung des Gesprächs meine Retrospektive Wahrnehmung der Situation und der Kommunikation der Fischer widerspiegeln und nicht als mehr als meine Persönliche Perspektive auf das Gespräch verstanden werden sollten. Denn wie Ich die Aussagen der Fischer deute, welche Ich Priorisiere und an welche Ich mich Erinnere sind Faktoren die Beeinflussen wie ich das Gespräch hier darstelle, daher möchte Ich die Subjektive Position aus der Ich schreibe in den Vordergrund stellen. Außerdem bleibt die Frage offen inwiefern die Fischer in ihrem Gesagten überhaupt ihre Persönliche Wahrnehmung der Wirklichkeit mit uns geteilt haben oder ob auch da eine Verfälschung oder Veränderung ihrer geäußerten Positionen durch die Gesprächssituation stattgefunden hat, also ob die selben Fischer im Gespräch mit anderen Menschen vielleicht andere Standpunkte vertreten hätten.
Das Gespräch mit dem einen Fischer war dadurch geprägt, dass nachdem sich alle kurz Vorstellten und wir erzählten was wir hier machen, wir seinen Berufsalltag kennenlernen wollten. Er schien Spaß dabei zu haben uns die Fragen zu beantworten und die Gesprächsathmospähre war sehr locker. Auf Nachfrage erzählte er, dass er von einer Chinesischen Firma indirekt über seinen Beninischen Chef angeheuert wurde an dem Abbau des Schiffswracks mitzuarbeiten. Die Chinesen würden häufig alte Schiffe aufkaufen, sie auseinander bauen lassen und ihre Einzelteile weiterverkaufen. Er komme jeden Tag her und wie alle Fischer fahre er normalerweise 5 Tage in der Woche zum Fischen raus, alle Fischer hier würden an den selben Zwei Tagen nicht Fischen, an diesen würde dann andere arbeiten anfallen.
Relativ schnell im Gespräch freuen wir uns über sein gutes Englisch und erzählen ihm Selbstironisch, dass, da wir alle kaum Französisch sprechen, seine guten Englischkenntnisse dafür Sorgen, dass wir endlich mal Tiefergehend mit jemandem ins Gespräch kommen können und fragen wo er Englisch gelernt hat. Ausführlich berichtete er daraufhin von seinen vielen Reisen als Fischer bei denen er in Ghana, Nigeria und anderen Englischsprachigen Ländern die Sprache gelernt habe, da man sich ja irgendwie verständigen müsse. Daraufhin erzählt er lächelnd von seiner Familie, er sagt, er würde für Sie diese schwere und nicht gut bezahlte Arbeit verrichten, um Essen auf den Tisch zu bringen und seinen Kindern eine bessere Schulbildung zu ermöglichen.
Wir fragen wie es mit dem Fischen Momentan laufe und ob es Probleme gäbe, Er bejaht und erzählt von Chinesischen Firmen die mit ihren Großen Fischerbooten die Gebiete vor den Küsten Überfischen würden und meint das immer weniger Fisch für ihn und seine Kollegen übrig bleibe.
Da Ich wie Eingangs schon beschrieben die Verlegung des Fischereihafens selbst als Problematisch empfunden habe, frage Ich ihn wie er dazu steht. Er bezieht nicht wirklich Position, macht aber klar das Benin für Wirtschaftliches Wachstum Kompromisse eingehen müsse und das es wichtig für das Land sei sich zu Entwickeln. Dies Erinnert an den Kurs des Präsidenten Fanons der Wirtschaftliche Entwicklung zu seinem Leitmotiv gemacht hat, also Frage Ich was er von Fanon hält und bekomme eine Optimistische Antwort, unter Fanon würde Sinngemäß endlich mal etwas passieren.
Ich frage danach ob die Fischer über die Zukunft des Fischereihafens mitentscheiden durften, er berichtet uns daraufhin von einem gewähltem Vertreter der Fischer und Versammlungen in denen über die Verlegung diskutiert wurde, ist aber sichtlich unzufrieden mit dem Repräsentanten der Fischer und erzählt auch von großer Uneinigkeit in Bezug auf die Entscheidung dem Plan zu Verlegung des Fischereihafens schließlich zuzustimmen.
Das Gespräch welches der Rest unserer Gruppe mit einem weiteren Fischer (dem Chef des anderen) führt wurde irgendwann intensiver, der Chef hielt einen längeren Emotionalen Monolog und so wurden auch die Teilnehmer des Gesprächs von dem ich gerade berichtet habe zu Zuhörern des mit Pathos redenden Fischers. Ich werde versuchen die Zentralen Punkte seines Monologs sowie die Grundsatzdebatte die geführt wurde und meine Wahrnehmung der Situation im Folgenden Abschnitt zusammenzufassen.
Einerseits versuchte er uns als Neu in Benin angekommene Gruppe die Ökonomische Prekarität in der sich das Land und somit auch er selbst als Fischer befindet verständlich zu machen, andererseits und dies war der für mich noch eindrücklichere Teil des Gesprächs konfrontierte er uns mit unseren Privilegien als Europäer, der Tatsache das unsere Reise nach Benin Symbolisch für diese steht und er eine Vergleichbare Reise nach Europa nicht machen könnte. Diese Distanz zwischen den Möglichkeiten die wir als Deutsche also haben und die er sich ebenso für Menschen aus Benin wünschen würde nahm ich als zentralen Konflikt war den er uns klarmachen wollte. Er bezog sich auf die Kolonialzeit als Ursprung dieser Ungleichheit und nannte die Europäische Grenz, Migration sowie neokoloniale Wirtschaftspolitik als Fortführrungen dieser Ungleichheit von der Europa, also wir profitieren würden und forderte uns auf darüber nachzudenken wie wir an einer Auflösung dieser Ungleichheit mitwirken können, zudem fragte er uns welchen Sinn unsere Reise nach Benin habe. Spannend war, dass dies Themen sind die wir in der Gruppe zuvor immer wieder besprochen haben und die auch für mich die zentralen Konflikte unserer Reise waren, die Ich zu diesem Zeitpunkt für mich auch noch nicht zufriedenstellend gelöst hatte. Es dauerte ein paar Sekunden bis Jemand aus unserer Gruppe zustimmend antwortete und erklärte das wir uns diese Fragen ebenso stellen und uns in Zukunft in Europa im Besten Fall für eine Grundlegend andere Politik einsetzen werden. In dem Moment hatte Ich das Gefühl das die Machtlosigkeit die wir alle gegenüber diesen Globalen Wirtschaftlichen und Politischen Ungleichheiten spühren und das fehlen einer einfachen Antwort uns als Gruppe vor sehr vielen Offenen Fragen stehen lassen hat.
Ich habe dem Mann sehr gerne Zugehört da alles was er gesagt hat ebenso meiner Politischen Überzeugung entspricht und doch profitiere Ich zum Teil von genau dem System welches er kritisiert und sehe mich gleichzeitig nicht in der Position dieses so Festgefahren wirkende System ändern zu können.
In solchen Momenten ist es schwieriger die Politik als Abstraktes Konstrukt zu sehen das man argumentativ durchdringen kann und für welches man Lösungsvorschläge diskutieren kann, dies wirkte unzureichend auf mich, ich hatte das Gefühl seinen Worten nichts hinzufügen zu können aber Hoffnungslos auf der Suche nach einer Einfachen Antwort zu sein die seine Worte ergänzt und die Spannung zwischen ihm und uns auflöst. Aber diese Differenz und Distanz zwischen unseren Positionen und Lebensrealitäten war real und blieb real egal was man sagt. Die Langwierigkeit der Politischen Prozesse die es Bedarf dies zu verändern wirkte in dem Moment Erdrückend. Letztendlich waren wir in dem Moment zumindest für mich ein Symbol für Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Dies war aber nachdem zumindest Ich seit dem wir in Benin angekommen sind nur Gastfreundschaft und Freundlichkeit entgegengebracht bekommen habe eine wichtige Erinnerung daran wie außergewöhnlich unserer Privileg ist diese Reise machen zu können und eine Aufforderung mich mit den Schuldgefühlen die daraus entstehen konstruktiv auseinanderzusetzten und meine Intentionen und Ziele auf der Reise nochmal Bewusst zu Hinterfragen sodass Ich genau weiß woher das Gefühl kommt das diese Reise Sinnvoll ist auch wenn Sie einen Luxus darstellt den in Benin die Wenigsten genießen können. Ich wollte also beim nächsten mal wenn Ich gefragt werde was das soll das wir in Benin sind nicht nur ein Gefühl haben das es Sinn ergibt sondern konkret wissen was der Sinn ist und diesen auch kommunizieren können.