Willkommen in Parakou, der nach Cotonou und Porto-Novo drittgrößten Stadt Benins. Parakou hat rund 400.000 Einwohner und wird auch Kobourou genannt. Diesen Namen verdankt die Stadt ihrem ersten König, dem Akpaki Kobourou, der im 15. Jahrhundert in der von Wasangari-Händlern neugegründeten Stadt Parakou zum König ernannt wurde. In Parakou leben verschiedene ethnische Gruppen, darunter hauptsächlich Bariba sowie einige Haoussa, Dendi und Yoruba. (Visiter le Bénin, n.d.) Entsprechend sind neben Französisch auch Bariba und Dendi die am häufigsten gesprochenen Sprachen in Parakou. Parakou ist aufgrund seiner für den regionalen Handel günstigen Lage und guten Infrastruktur das wirtschaftliche Zentrum Nordbenins. Auch die noch junge Université de Parakou ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Problematisch und für Besucher:innen sofort sichtbar ist das fehlende Müllmanagement in der Stadt, was zu Umweltverschmutzung und Gesundheitsproblemen führt.
Die Verwaltung der Stadt unterliegt dem Bürgermeister Inoussa Chabi Zime, den wir während eines einstündigen Austauschs kennenlernen durften. Im Rahmen des Treffens mit Bürgermeistern Zime haben wir einen Einblick in die Stadtverwaltung, die administrative Aufteilung Parakous und der Politik des Landes erhalten. Weitere Informationen und Einblicke können aus einer Dokumentation gewonnen werden, die von Studierenden der Université de Parakour erstellt wurde.
Die Dokumentation ist online verfügbar unter folgendem Ausschnitt:
Parakou hat durch den vor mehr als 20 Jahren begonnen Dezentralisierungsprozess ebenso wie Cotonou und Porto-Novo einen Sonderstatus, welcher der Verwaltung dieser Städte mehr Freiheit bei den Finanzen und der Gestaltung der öffentlichen Aufgaben ermöglicht. Insgesamt wird sich in Benin bemüht die am Vorbild der Kolonialmacht Frankreich ausgerichteten zentralistischen Strukturen aufzubrechen und mehr regionale und kommunale Gestaltungsmöglichkeiten zu schaffen.
Neben dem Bürgermeister gibt es traditionelle Autoritäten, die sich auf das vorkoloniale Gewohnheitsrecht stützen. Einer von ihnen ist der Erdherr oder „chef de terre”, der für die Verwaltung und Verteilung von Land in seinem Gebiet verantwortlich war. In Benin hat Spiritualität eine wichtige Bedeutung in allen Lebensbereichen, unter anderem für Fragen des Landrechts. (Junge, 2004) Idealtypisch verwaltet der chef de terre das Land, teilt es Familien zu und sorgt für die Einhaltung von Nutzungsregeln. Boden hat dabei nicht nur einen materiellen Wert, sondern auch eine spirituelle Bedeutung und wird von Geistern und Ahnen bewohnt. Der Erdherr wird somit als spiritueller Führer und Vermittler zwischen der physischen und der spirituellen Welt angesehen. (Singer, 2005) Bei der Zuweisung von Land und der Verwaltung von Ressourcen berücksichtigt er auch spirituelle Überlegungen. Bei der Zuweisung von Land werden beispielsweise für die Entscheidung, ob ein Stück Land genutzt werden kann, um ein bestimmtes Projekt zu realisieren spirituelle Aspekte berücksichtigt. (Junge, 2004) In einigen Fällen kann er auch spirituelle Rituale durchführen, um den Segen der Ahnen zu erhalten oder um Streitigkeiten um Land beizulegen. Aufgrund der Existenz mehrerer Rechtssysteme, die sich auf das Landrecht beziehen, gibt es in der Region zahlreiche Landkonflikte. (Singer, 2005) Der Erdherr spielt eine bedeutende Rolle bei der Lösung solcher Konflikte und trägt somit eine große Verantwortung.
Neben dem Erdherrn gibt es weitere traditionelle Autoritäten in Parakou, darunter der Akpaki Gobi Gninsè, der aktuelle König von Parakou. Das Königshaus ist Teil der traditionellen Herrschaftsstrukturen in Benin, die schon seit vorkolonialen Zeiten bestehen. Obwohl die traditionelle Herrschaft seit Anfang der 1970er Jahre stark eingeschränkt wurde, wird lokale Politik weiterhin in Abstimmung mit den einflussreichen beninischen Königen betrieben. (Junge, 2005)
Die Gründung des Königreichs Parakou wird auf der Akpaki Kabourou zurückgeführt. Dieser hat eine interessante Geschichte: Ursprünglich stammte er aus dem Königshaus der Savè, im Südosten Benins. Allerdings wurde er als Adoptivsohn von König Sinaboko des Königreichs von Nikki, weiter im Norden, großgezogen und erhielt die Ausbildung eines Wasangari-Prinzen. Die Bezeichnung „Wasangari“ bezieht sich auf Adlige der Bariba mit königlicher Herkunft. Der Akpaki Kabourou ist daher ein Sonderfall, da er ursprünglich nicht aus dem Königreich stammte, jedoch trotzdem die Ausbildung der Prinzen erhielt. Im Laufe der Zeit entschied er sich, zurück nach Savè zu gehen, um den Thron seines Vaters zu erben. Er ließ sich in der Region des heutigen Parakou nieder, womit ein neues Königreich entstand. (Visiter le Bénin, n.d.) Seitdem regierten bereits 19 weitere Könige das Königreich Parakou. (Site a visiter, n.d.)
Insgesamt haben unsere Besuche in den verschiedenen politischen Institutionen und unsere Gespräche mit unterschiedlichen Verantwortungsträgern deutlich gemacht, dass, kolonial angelegt, in Benin ein multiples Rechtssystem vorzufinden ist, in dem verschiedene Formen der Regulierung nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren.
LITERATURVERZEICHNIS:
Junge, B. (2004). Die Böden des oberen Ouémé-Einzugsgebietes in Benin/Westafrika – Pedologie, Klassifizierung, Nutzung und Degradierung. Inaugural-Dissertation. Bonn.
Singer, U. (2005). Entwicklungsprojekte im ländlichen Benin im Kontext von Migration und Resourcenverknappung – Eine sozialgeographische Analyse. Dissertation. Bayreuth.
Site a visiter (n.d.). Parakou. Abrufbar unter: https://sitesavisiter.com/wiki/parakou
Visiter le Bénin (n.d.). Parakou, la cité des Kobourou. Abrufbar unter: https://visiter-le-benin.com/parakou-la-cite-des-kobourou/